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Ripley Under Ground

Ripley Under Ground

Titel: Ripley Under Ground
Autoren: Patricia Highsmith
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sagen, Bernard brauche irgendwas. Damit waren dann auch eventuelle Skizzen erledigt, dachte Tom, und die angefangenen Bilder.
»Bitte macht das wirklich gründlich«, sagte er. »Noch etwas: Derwatt hat vor ein paar Tagen meine Frau hier angerufen, und sie hat ihm gesagt, ich sei nach Salzburg gefahren.«
»Ja, aber warum –«
Warum hat Derwatt nach Salzburg fahren wollen: das wollte Jeff sicher fragen. »Ich glaube, das wichtigste ist, daß ich bereit bin, mich hier mit Webster zu unterhaften. Ich möchte das sogar. Ich habe ihm einiges Neue mitzuteilen.«
Tom legte auf und wandte sich zu Heloise um. Ein kleines schiefes Lächeln stand auf seinem Gesicht, mehr wagte er nicht. Wieso eigentlich? Es würde doch alles gut enden, oder?
»Was meinst du damit«, fragte Heloise auf Englisch, »daß Derwatt in Salzburg gestorben ist, wo er doch schon vor Jahren in Griechenland gestorben ist? Das hast du mir doch gesagt.«
»Es muß jetzt bewiesen werden, daß er tot ist. Weißt du, Liebes, ich habe das alles einzig und allein getan um der – um der Ehre von Philip Derwatt willen.«
»Aber wie kann ein Mensch sterben, der schon lange tot ist?«
»Kannst du das wohl mir überlassen?« Tom warf einen Blick auf seine Armbanduhr auf dem Nachttisch. »Ich habe noch etwas zu arbeiten – ungefähr eine halbe Stunde, und dann möchte –«
»Arbeiten?«
»Ja, ein paar Kleinigkeiten.« Herrgott, wenn eine Frau nicht begriff, was Kleinigkeiten waren, wer sollte es dann verstehen? »Nichts weiter, nur ein paar kleine Sachen.«
»Hat das nicht bis morgen Zeit?«
»Weißt du, es ist möglich, daß morgen Inspektor Webster kommt. Vielleicht schon morgen früh. Und bis du dich ausgezogen hast, bin ich schon beinahe bei dir. Komm.« Er zog sie hoch, und sie ließ sich willig ziehen, war also gutgelaunt. »Gibt´s was Neues von Papa?«
»Ach, laß doch Papa an so einem Abend! Zwei Menschen tot in Salzburg! Meinst du vielleicht nur einen, chéri ? Oder gar keinen?«
Tom lachte, erleichtert und glücklich über Heloises leichtherzige Stimmung, die der seinen so sehr glich. Ihr Sinn für Dekorum war nur ein sehr dünner Lack, das wußte er – sonst hätte sie ihn gewiß nie geheiratet.
Als Heloise in ihr Zimmer ging, holte Tom aus seinem Koffer Bernards braunes Notizbuch und den Zeichenblock heraus und legte beides sorgfältig auf seinen Schreibtisch. Bernards Hemd und Hose hatte er in Salzburg in einen Mülleimer versenkt, und die Reisetasche steckte in einem anderen Mülleimer. Er wollte erzählen, Bernard habe ihn gebeten, die Reisetasche so lange in Verwahrung zu nehmen, bis er ein anderes Hotelzimmer gefunden habe. Er sei aber nie zurückgekommen, und Tom habe dann aufbewahrt, was ihm wertvoll erschien. Aus seiner Knopfschachtel nahm Tom jetzt den mexikanischen Ring, den er in London getragen hatte, als er zum erstenmal Derwatts Rolle spielte. Leise und barfuß ging er die Treppe hinunter und legte den Ring in den Rest der Glut im Kamin. Vielleicht schmolz er zu einem Klümpchen zusammen; mexikanisches Silber war rein und ziemlich weich. Irgend etwas würde schon übrigbleiben, und das wollte er dann zu Derwatts – oder vielmehr Bernards – Aschenresten hinzutun. Deshalb mußte er morgen früh aufstehen, bevor Mme. Annette den Kamin saubermachte und die Asche auskehrte.
Heloise war im Bett und rauchte. Er mochte ihre blonden Zigaretten selber nicht, aber er liebte den Duft, wenn sie sie rauchte. Er hielt Heloise fest – ganz fest, als sie das Licht gelöscht hatten. Schade, er hatte vergessen, auch noch Robert Mackays Paß heute abend ins Feuer zu werfen. Immer war irgend etwas. Gab es überhaupt noch mal Ruhe für ihn?
25
    Behutsam löste sich Tom von seiner schlafenden Frau. Er zog den Arm unter ihrem Nacken hervor; dann wagte er es, sie vorsichtig umzudrehen, und küßte ihre Brust, bevor er sich aus dem Bett erhob. Sie war nicht richtig aufgewacht, wahrscheinlich nahm sie an, er gehe zur Toilette. Er ging barfuß in sein Zimmer und nahm den Mackay-Paß aus der Tasche seines Jacketts.
    Er ging hinunter, Viertel vor sieben war es auf der Uhr am Telefon. Im Kamin lagen weiße Aschenreste, sicher waren sie noch warm. Tom nahm ein Zweigstückchen und scharrte auf dem Rost herum, um den silbernen Ring aufzustöbern; den grünen Paß hielt er, zur Hälfte gefaltet, in der Hand versteckt, falls Mme. Annette hereinkam. Da war der Ring. Er sah schwarz aus und hatte die Form verloren, aber es war nicht das unkenntliche Etwas, das Tom
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