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Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Riedripp: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Michael Boenke
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Weg von ihr fern, komm ihrer Haustür nicht nahe! Sonst schenkst du andern deine Kraft, deine Jahre einem Rücksichtslosen; sonst sättigen sich Fremde an deinem Besitz, die Frucht deiner Arbeit kommt in das Haus eines andern, und am Ende wirst du stöhnen, wenn dein Leib und dein Fleisch dahinsiechen. Dann wirst du bekennen: Weh mir, ich habe die Zucht gehasst, mein Herz hat die Warnung verschmäht; ich habe nicht auf die Stimme meiner Erzieher gehört, mein Ohr nicht meinen Lehrern zugeneigt. Fast hätte mich alles Unheil getroffen in der Versammlung und in der Gemeinde.«
    Sie schaute mich triumphierend an. Ich fragte etwas verunsichert:
    »Was hat diese fremde Frau mit Ihrer Schwiegertochter zu tun?«
    »Ja, Dani, sonst bist doch auch so neunmalklug. Die war hier auch mal fremd. Und ich hab ihn gewarnt, dass die nichts taugt, das habe ich der angesehen. Und genau diese Stelle habe ich damals dem Horst vorgelesen, als er mit der dahergekommen ist. Aber er hat mich nur ausgelacht und sich an der Bibel versündigt. Er hat gesagt, ich soll die Bibel auf die Miste schmeißen und selbst denken.«
    »Haben Sie eigentlich nichts bemerkt, ich meine, von den Morden? Von hier aus hat man doch einen guten Einblick in den Hof.«
    »Ich habe immer gesagt, da stimmt was nicht am Hof, das hatte ich im Gespür. Aber dass das Ripp gleich die Weiber umbringt … Wer denkt denn an so was?«
    Sie schüttelte den Kopf und bekreuzigte sich mit der Gabel, auf der eine duftendgelbe Kartoffel steckte. Dann deutete sie zur Fensterbank, blätterte in der Bibel und las mir noch einmal vor:
    »Das sagt der Habakuk, Dani, hör mir gut zu! In der Bibel gibt es für alles eine Weisheit.
    Was nützt ein Götterbild, das ein Bildhauer macht, ein gegossenes Bild, ein Lügenorakel? Wie kann der Bildhauer auf den Götzen vertrauen, auf das stumme Gebilde, das er selbst gemacht hat? Weh dem, der zum Holz sagt: Erwache! Und zum stummen Stein: Wach auf! Gibt der Götze denn Auskunft? Gewiss, er ist mit Silber und Gold überzogen, doch er hat keinen Geist, keinen Atem.«
    Ich schaute sie verständnislos an. Sie nickte zur Fensterbank hin und deutete mit runzeliger und fleckiger Hand zu den Devotionalien.
    Dort stand immer noch die große Madonnenfigur mit Kind, dahinter ein silbernes Beistellkreuz, um das ein Rosenkranz gewickelt war, der einen rindenlosen Stecken am Kreuz festhielt. Neben dem christlichen Mutter-Kind-Arrangement saß eine kitschige Engelsfigur, daneben stand ein Aral-Wackeldackel aus den 70er-Jahren, um den ich die Fränkels heftig beneidete.
    Die Oma fuchtelte noch einmal mit der Kartoffel in Richtung Fensterbank und schimpfte:
    »Da hat sie immer hingebetet, das Ripp! Zu ihren Götzen!«
    »Ja, aber, das sind doch keine Götzen. Und den Wackeldackel wird sie wohl nicht angebetet haben?«
    Die Alte fauchte:
    »Götzen! Schaus dir nur an!«
    Mein Blick wurde magisch vom Beistellkreuz und dem gebogenen Stecken, der vom Rosenkranz gehalten wurde, angezogen.
    Dann wusste ich es. Vorsichtig nahm ich das silberne Kreuz in meine Hand und befreite den Stecken, der einen zusätzlichen Querbalken bildete, ohne den filigranen Rosenkranz zu beschädigen. Dann hob ich den Wackeldackel, schaute in den Blumentöpfen nach. Zuletzt hob ich die große Madonnenfigur mit Kind, sie war leichter, als ich dachte. Sie war hohl gegossen. Ich schüttelte. Es klapperte knöchern. Ich drehte die Figur um, unten war ein Loch. Ich schüttelte die Figur so lange, bis ebenfalls ein heller, gebogener Stecken zum Vorschein kam. Den zog ich vorsichtig heraus.
    »Darf ich das mitnehmen?«
    »Ja«, hauchte sie leise, »das Böse muss raus aus dem Haus!«
    Mir fiel ein, was Ann-Kathrin vorgelesen hatte, die Zeile aus dem Gedicht ihrer Mutter: Pein und Not leid ich all Tag, ich seh die Rippe immer doch.
     
    Als ich nach Hause fuhr, kam mir Cäci auf dem Weg zum Goldenen Ochsen entgegen. Ich nahm auch sie mit zu Deo, unserem Pfarrer.
    »Deo, ich habe was für dich getan. Tust du bitte was für mich?«
    Zu dritt standen wir an den beiden winzigen Gräbern, die wir mit wenigen Spatenstichen in einem schönen Winkel des herbstlichen Friedhofes ausgehoben hatten. Die Erde roch würzig und frisch, sie glänzte rötlich im Licht der schräg stehenden Novembersonne. Deo sprach ein Gebet über den kleinen Gräbern und segnete sie:
     
     
     
    R I P!
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