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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Autoren: Andreas Steinhöfel
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Aufbau!«
    Â»Wegen der Boutique?«
    Â»Genau. Können wir die Kunden anbieten Service von Änderungen in eigene Schneiderei. Ist gut für Geschäft!«
    Sie ließ sich rückwärts in den Sitz fallen und fing schon wieder mit dem Gefächel an. »Stress«, murmelte sie. »Der bringt mir um! Hab ich heute Morgen in der Spiegel geguckt, und hab ich ausgesehen, wie als wenn ich wäre dreißig.«
    Ich runzelte die Stirn. »Du bist schon zweiunddreißig.«
    Ihre Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Ihre Lippen auch. »Woher du weißt?«
    Â»Mama.«
    Â»Okay.« Sie zeigte auf meine Tür. »Wenn du das irgendwer weitererzählst, kannst du das mit die Adoptierung vergessen!« Sie grinste. »Jetzt raus aus mein Auto, und schöner Tag noch mit der Bekloppte!«

    Normalerweise begleitet mich Oskar, wenn ich Porsche ausführe, jedenfalls wenn er Zeit hat und nicht gerade damit beschäftigt ist, das Mathebuch fürs kommende Schuljahr nach Druckfehlern abzusuchen oder dergleichen. Aber diesmal würde ich ihn gar nicht erst fragen, ob er mitgehen wollte. Es war eine Frechheit, nicht zur Beerdigung von jemand zu kommen, dessen Leiche man eigenhändig im Treppenhaus gefunden hatte. Bis ich Porsche im Fünften abgeholt hatte und wir auf dem Weg nach unten waren, hatte ich mich allerdings schon wieder einigermaßen abgeregt. Es hatte sicherlich nicht an Oskar gelegen, dass er und Lars nicht auf dem Friedhof aufgekreuzt waren.
    Er öffnete so schnell auf mein Klingeln, als hätte er hinter der Tür gestanden und auf mich gewartet. Er trug die peruanische Bommelmütze. Das ging jetzt womöglich den ganzen Sommer lang so.
    Â»Wo wart ihr heute Mittag?«, blaffte ich ihn an.
    Â»Frag mich nicht.«
    Â»Hab ich schon.«
    Er seufzte. »In Steglitz. Papa hatte einen Termin bei seiner Selbsthilfegruppe.«
    Â»Ihr hattet einen Termin auf dem Friedhof!«
    Oskar lugte rasch über die Schulter, dann senkte er die Stimme. »Ich weiß. Papa hatte das mit dem Gruppentreffen vergessen. Es fiel ihm erst beim Frühstück wieder ein. Und dann wollte er auf einmal nicht hingehen. Wenn ich ihn nicht begleitet hätte –«
    Â»Wenn er sowieso nicht hinwollte, warum hat er es dir dann überhaupt erzählt?«
    Ein Achselzucken war die Antwort. Es bedeutete so viel wie Weil Papa eben Papa ist. Bei Lars funktioniert das nämlich so: Anstatt für sich zu behalten, dass er einen wichtigen Termin hat, zu dem er aber nicht hingehen will, posaunt er es raus. Dann versucht Oskar, ihn davon zu überzeugen, doch hinzugehen, und ruck, zuck gibt’s Streit, und mit einem Streit ist für Lars der Vormittag gerettet und der Nachmittag auch, weil er dann Schuldgefühle hat wegen dem Streit am Vormittag. So viel zum Thema Sockenschuss.
    Es geht Oskar nie gut nach solchen Auseinandersetzungen, da musste ich jetzt nicht auch noch anfangen. Also holte ich tief Luft und schluckte meinen Ärger runter.
    Â»Ist das immer noch die Gruppe für Leute mit Depressionen?«
    Oskar nickte. Depressionen sind das graue Gefühl. Frau Dahling hat das früher öfters gehabt, aber seit sie hinter dem van Scherten her ist, ist es wie weggeblasen. Ich überlegte, ob ich Oskar vorschlagen sollte, dass sein Papa sich mal verlieben könnte. Vielleicht gab es ja eine nette Frau in der Selbsthilfegruppe, mit der er erst zusammen eine Depression haben konnte und dann zusammen keine mehr. Oder vielleicht …
    Â»Gibt’s dafür eigentlich keine Medikamente?«
    Â»Doch. Aber wenn Papa keine Depression hat, meint er, er braucht sie nicht. Und wenn er deprimiert ist, befürchtet er, dass er mit den Tabletten umgebracht werden soll.«
    Â»Dann hat er Para-Neujahr«, stellte ich fest, schön beiläufig und gleichzeitig fachmännisch, aber natürlich kriegte Oskar das wieder nicht mit. Er kriegt fast nie mit, wenn ich mal was Schlaues sage, vermutlich, weil schlaue Sachen für ihn völlig normal sind. Er zupfte geistesabwesend an einer Bommel von seiner Mütze.
    Â»Könnte sein. Ein wenig. Jedenfalls tut es mir wirklich leid, dass ich nicht bei der Beerdigung war. War’s schön?«
    Â»Fitzke hatte ein W in der Mitte. Als zweiten Namen. Weißt du, was das heißt?«
    Â»Wilhelm, schätze ich. Würde vom Alter her passen. Und sonst?«
    Ich zuckte die Achseln. »Es gab nette Musik. Von diesem
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