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Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Titel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Autoren: Andreas Steinhöfel
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nichts mehr zu sehen. Nur noch Pampe auf der Straße. Ich merkte, wie ich immer schneller und immer heftiger atmete.
    Â»Kleiner Moment, bitte«, sagte Irina. Sie schaltete die Scheibenwischer aus, weil es inzwischen nicht mehr regnete. Als der nächste Parkplatz angezeigt wurde, setzte sie den Blinker und fuhr ab. Die Bingotrommel in meinem Kopf bollerte inzwischen herum wie seit Monaten nicht mehr. Sie beruhigte sich erst, als Irina den Wagen angehalten und meine Hand genommen hatte.
    Â»Fred, hör mir zu.« Sie guckte mich so intensiv an, dass ich dachte, ich versinke in ihre honiggoldenen Augen. »Flugzeuge stürzen weniger ab, als LKW verlieren die Reifen, klar?«
    Â»Ja, aber –«
    Â»Nix aber. Ich verstehe, du hast der tote alte Knacker gemocht, wenn auch nur Gott in Himmel weiß, warum. Aber darfst du jetzt nicht denken, weil er tot ist, dass auch alle andere Leute sterben.«
    Ich wand mich unbehaglich. »Tu ich gar nicht.«
    Â»Tut deine untere Bewusstsein, kriegst du selber gar nix von mit. Ich weiß das.« Ihre Stimme wurde leiser. »Als ich hab mein Vater verloren, hab ich danach gedacht, meine Mutter stirbt bald auch.«
    Â»Ist sie aber nicht?«
    Â»Doch, zwei Monate später. Unfall bei Kartoffelernte mit Traktor.«
    Â»Siehst du!«
    Â»Nitschewo ›Siehst du‹! Schlag dir der blöde Tod aus der Kopf! Wenn du weiter daran denkst, kriegst du ans Ende nur, wie sagt man …? Para-Neujahr!«
    PARA-NEUJAHR
: Wenn man davon überzeugt ist, dass jemand hinter einem her ist, obwohl er sich in Wirklichkeit gar nicht für einen interessiert. Irina sagte, so ginge es ihr ständig mit irgendwelchen Typen. Ich verstehe bloß nicht, was das mit dem 1. Januar zu tun hat.
    Bei der Weiterfahrt lauschte ich noch eine Weile in meinen Kopf, aber die Bingotrommel gab Ruhe und mein unteres Bewusstsein offenbar auch. Dann guckte ich weiter aus dem Fenster und überlegte, wie die kommende Woche wohl werden würde. Ich würde bei Oskar wohnen. Das war gut. Aber ich würde auch bei Lars wohnen, und das war gar nicht gut. Lars hat echt voll den Sockenschuss. Mama und der Bühl hatten sich überlegt, dass er lernen sollte, mehr Verantwortung zu übernehmen. Und weil Irina mich nicht bei sich wohnen lassen wollte, war ich jetzt das Versuchsobjekt, an dem Lars seine Verantwortung ausprobieren durfte. Tolle Idee. Als ob er es mit einem Tiefbegabten besser auf die Reihe kriegen würde als mit einem Hochbegabten. Als ob er überhaupt irgendwas auf die Reihe kriegen würde …
    Irina hatte deshalb ein schlechtes Gewissen. Als sie vor der Dieffe 93 anhielt, blieb sie sitzen und fächelte sich übertrieben mit einer Hand Luft zu. Das Gewitter hatte sich inzwischen völlig verzogen, die Wolken waren aufgebrochen, und die Sonne schien wieder, aber es war noch nicht wirklich sommerhitzig. Auf zehn Meter Entfernung hätte jeder bemerkt, was für eine schlechte Schauspielerin Irina war. Ab und zu lugte sie aus dem Augenwinkel zu mir rüber. Ich ließ sie eine Weile zappeln. Selber schuld.
    Irgendwann holte sie tief Luft und legte von ganz alleine los. »Also gut! Es tut mir leid, Fred, dass ich dir nicht lass bei mir wohnen und du deshalb von der Bekloppte da oben aufgepasst wirst – sagt man so, ja?«
    Sagte man nicht so, aber das war mir egal. Gleich würde sie mir wieder aufzählen, warum ich nicht bei ihr wohnen konnte. Seit sie und Mama sich das mit der Boutique überlegt haben, ist Irina nämlich nur noch im Stress.
    Â»Aber bin ich gerade voll in Stress!«
    Na bitte.
    Â»Hab ich die Verantwortung für die Boutique an der Hacken – mein Problem! Die blöde Handwerker – mein Problem! Alle Klamotten ständig hin und her räumen, noch in die Verpackungen – mein Problem! Ganz zu schweigen von das Putzen!« Irina wischte sich über die trockene Stirn, als würde sie schwitzen. »So. Und hab ich außerdem auch noch der Abendkurs für Aufbau von Schneiderin.«
    Das war neu.
    Â»Was für ein Abendkurs?«
    Â»Na, was denkst du – dass ich hab nix gelernt in meine Leben, außer gut auszusehen in Brüstenhalter? Ich war ehrbares Mädchen, bevor ich bin gekommen nach Berlin, mit gute Ausbildung – Schneiderin. Also. Hab ich dann aber Hälfte von alles wieder verlernt in die Zeit seitdem. Deshalb: Abendkurs für
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