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Rettungskreuzer Ikarus Band 050 - Vince

Rettungskreuzer Ikarus Band 050 - Vince

Titel: Rettungskreuzer Ikarus Band 050 - Vince
Autoren: Dirk van den Boom
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sie. »Das sind mal Kaliber!«
    Sie strich mit einer nahezu erotischen Inbrunst über das Mündungsrohr einer der beiden Haubitzen, strahlte die Kartons mit der Munition an und warf den Freien einen Blick zu, die in der Schule zu Kanonieren ausgebildet worden waren und die ihre Expedition allein aus diesem Grunde begleitet hatten. Nahezu alle Freien und Wilden waren zur Schule gegangen, wie die Rekruten. Und alle hatten sie das Militärhandwerk gelernt, denn das war bis vor Kurzem ihrer aller Lebenszweck gewesen.
    »Und?«
    Einer der beiden Kanoniere erwiderte ihr aufforderndes Lächeln.
    »Gib uns ein Ziel, Dorna, und wir werden es treffen.«
    Das war exakt das, was sie hören wollte.
    Sie wirbelte herum und gab Befehle, die Beutestücke so schnell wie möglich fortzubewegen. Sie wollte kein allzu offensichtliches Ziel für einen Gegenangriff bieten.
    Alle wurden sofort eifrig. Die großen Tore öffneten sich. Ein requirierter Elektrowagen fuhr vor, und Lastkarren wurden beladen. Späher hielten Ausschau. Dorna hüpfte durch die Menge der Arbeitenden, ermunterte sie, schimpfte, trieb sie an. Es war, als tanze sie auf glühenden Kohlen.
    Selten hatte man Dorna von den Wilden so enthusiastisch gesehen. Sie wollte ihre neuen Spielzeuge einsetzen, das war ihr anzusehen.
    Botero würde sie diesmal nicht aufhalten.

     
    Vince hörte genau zu.
    Er war zu dem Schluss gekommen, dass es keine schlechte Idee war, etwas zu lernen. Das war etwas anderes, als Erfahrungen zu sammeln – die kamen ungefiltert und unkontrolliert, waren schlicht Dinge, die ihm einfach so zustießen. Er konnte sie verarbeiten, aber oft geschah dies nicht bewusst. Er hatte gemerkt, wie sehr dieses Unbewusste seinen Charakter geprägt hatte: Er war ein Opfer dieser Prägung geworden. Ein Wesen voller Angst und ohne jedes Gefühl dafür, was er eigentlich war und wozu er lebte. Nicht viel mehr als ein Tier, das reagierte und das sich hilflos unter der Kontrolle seines Herrn in seinem Schmerz wand.
    Vince gedachte, dies zu ändern.
    Er wusste, dass er seine Umgebung nicht so kontrollieren konnte, wie er das gerne wollte. Tatsächlich hatte der absolute und allumfassende Kontrollwahn Boteros hier eine sehr abschreckende Wirkung auf ihn gehabt. Wenn das, was dieser Irre tat, der Inbegriff von Kontrolle war, dann wollte Vince nichts davon haben. Es war schwer genug , sein eigenes Leben zu bestimmen. Wozu sich dann noch die Mühe geben, das anderer zu beherrschen? Die dadurch erzeugte Sicherheit, das hätte gerade jemand wie Botero selbst erkennen müssen, war nicht mehr als eine schale Illusion. Macht erschuf keine Sicherheit, sondern nur das Bedürfnis, immer mehr davon anzuhäufen, um die stille, leise, nörgelnde Kraft des Zweifels zu besiegen, die einem beständig sagte, dass der Abgrund immer noch nur wenige Schritte entfernt war.
    Ob Botero diese Stimme bewusst hörte oder mittlerweile durch den Lärm der eigenen Persönlichkeit ertränkt hatte?
    Und da Vince seine Welt nicht unter Kontrolle bringen konnte oder auch nur wollte, blieb ihm nur, sie auf eine gewollte und kontrollierte Art zu verstehen, nicht mehr einfach nur Eindrücke aufzunehmen und unmittelbar darauf zu reagieren, sondern nachzudenken, einzuordnen, Erklärungen zu finden, Muster und Gesetze, auf deren Basis er vorauszusagen vermochte, was geschehen würde. Eine Voraussage, die über die Erkenntnis hinausging, dass er großen Schmerz erleiden würde, wenn er etwas Falsches sagte.
    Vor allem, weil er auch oft genug großen Schmerz erlitten hatte, wenn er das Richtige gesagt oder getan hatte.
    Vince hörte der Besprechung zu und merkte, dass er seinen Herrn oft gleichzeitig über- wie unterschätzt hatte. Botero war intelligent und durchaus zu ernsthafter Arbeit in der Lage. Es gab Abschnitte des Gespräches, da konnte man beinahe den Eindruck erhalten, er nehme seine Generale sogar irgendwie ernst – ein Eindruck, bezüglich dessen Vince annahm, es wirklich besser zu wissen. Aber Boteros größte Schwäche wurde gleichfalls offenbar: seine nahezu manische Besserwisserei, die Überzeugung, letztlich in allem mehr zu wissen, besser zu sein, und seine damit zusammenhängende völlige Unfähigkeit, sich korrigieren oder auch nur beraten zu lassen. Er ließ kein Gegenargument gelten, er wischte die sehr moderat geäußerte gelegentliche Widerrede vom Tisch. Es wurde alles so gemacht, wie er es sagte, und daran gab es niemals einen ernsthaften Zweifel.
    Vince kannte sich nicht so gut aus,
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