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Rette mich vor dir

Rette mich vor dir

Titel: Rette mich vor dir
Autoren: Tahereh H. Mafi
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sich vorwärts, auch wenn wir es nicht tun.
    Wir haben viel Zeit, hätte Castle sagen sollen. Wir haben alle Zeit der Welt, hätte er zu mir sagen sollen. Doch das hat er nicht getan, weil er glaubt, dass tick tack unsere Zeit tick tack eigenmächtig handelt. Dass sie in eine bislang unbekannte Richtung rast und mit voller Wucht auf etwas anderes prallt und
    tick
    tick
    tick
    tick
    tick
    es schon beinahe Zeit ist
    für den Krieg.

3
    Ich könnte ihn berühren.
    Seine Augen: dunkelblau. Seine Haare: dunkelbraun. Sein Hemd: zu eng an den richtigen Stellen. Und seine Lippen, seine Lippen beben, legen den Schalter um, der mein Herz in Brand steckt, und mir bleibt nicht einmal genug Zeit zu blinzeln und auszuatmen, bevor seine Arme mich umfangen.
    Adam .
    »Hey, du«, flüstert er an meinem Hals.
    Ich unterdrücke ein Schaudern, als das Blut mir in die Wangen schießt und sie rötet, und für einen Augenblick, nur für diesen einen Augenblick, erlaube ich mir, wehrlos zu sein und von Adam gehalten zu werden. »Hey«, raune ich lächelnd und atme seinen Duft ein.
    Es ist der reinste Luxus.
    Wir sind so gut wie nie allein. Adam wohnt mit seinem jüngeren Bruder James in einem Zimmer und ich mit den Heilerzwillingen. Uns bleiben jetzt höchstens 20 Minuten, bevor die Mädchen hereinkommen, und diese Zeit will ich ganz und gar auskosten.
    Meine Augen fallen zu.
    Adams Arme umfassen meine Taille, ziehen mich zu ihm, und mein Verlangen ist so heftig, dass ich Mühe habe, nicht von Kopf bis Fuß zu zittern. Es ist, als hätten sich meine Haut und meine Knochen so viele Jahre nach menschlicher Nähe und Wärme gesehnt, dass ich jetzt kein Maß finde. Ich bin wie ein halb verhungertes Kind, das sich den Bauch vollschlägt, in der Fülle dieser Momente schwelgt, als könne es jeden Augenblick erwachen und merken, dass es noch immer für die Stiefmutter den Küchenboden kehren muss.
    Doch dann spüre ich Adams Lippen an meiner Wange, und meine Sorgen ziehen ein prachtvolles Kleid an und spielen für eine Weile eine andere Rolle.
    »Wie geht’s dir?«, frage ich und schäme mich, weil meine Stimme unstet klingt, obwohl er mich noch kaum in den Armen gehalten hat, aber ich kann ihn einfach nicht loslassen. Lachen bebt in seinem Körper, sanft und üppig und liebevoll. Doch er sagt nichts, und ich weiß, dass er mir die Antwort schuldig bleiben wird.
    Wir haben so oft versucht, uns zusammen hinauszuschleichen, und jedes Mal sind wir erwischt und gerügt worden. Wenn das Licht aus ist, dürfen wir unsere Zimmer nicht verlassen. Nach unserer Schonzeit – die nur unserem abrupten Eintreffen zu verdanken war – mussten Adam und ich uns genauso an die Vorschriften halten wie alle anderen. Und es gibt viele Vorschriften hier.
    Die Sicherheitsvorkehrungen – Kameras überall, in jedem Gang, an jeder Ecke – sollen einen Angriff verhindern. Nachts sind draußen Wachen unterwegs und achten auf alles, was von der Normalität abweicht. Castle und sein Team überlassen nichts dem Zufall, um Omega Point zu schützen. Sobald sich irgendwer der verborgenen Siedlung nähert, wird sofort alles Nötige unternommen, um Eindringlinge fernzuhalten.
    Castle glaubt, dass nur diese strikte Wachsamkeit die Entdeckung des unterirdischen Stützpunkts bisher verhindert hat, und vermutlich hat er Recht. Doch ebendiese Maßnahmen führen dazu, dass Adam und ich keine Zeit für uns alleine haben. Wir sehen uns nur bei den Mahlzeiten, die wir mit all den anderen einnehmen müssen. Und meine gesamte Freizeit muss ich in diesem Trainingsraum zubringen, um zu lernen, wie ich meine Energie »nutzbar« machen kann. Adam ist ebenso unglücklich wie ich über diesen Zustand.
    Ich berühre seine Wange.
    Er holt tief Luft. Schaut mich an. Spricht zu mir mit den Augen, sagt mir so viel, dass ich den Blick abwenden muss, weil ich alles spüre. Meine Haut ist extrem empfindsam, endlich endlich endlich zum Leben erweckt, und pulsiert von Gefühlen, die so intensiv sind, dass ich mich ihrer beinahe schäme.
    Und ich kann sie nicht verbergen.
    Adam sieht, was er mit mir macht, was mit mir geschieht, wenn seine Fingerspitzen über meine Haut streichen, wenn seine Lippen sich meinem Gesicht nähern, wenn die Wärme seines Körpers in mich dringt und meine Augen zufallen, meine Glieder zittern, meine Knie weich werden. Und ich sehe, was mit ihm geschieht, wenn er meine Reaktion erlebt. Manchmal lässt er mich leiden, lächelt, wenn er sich zu viel Zeit lässt, genießt es, wenn
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