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Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken
Autoren: Meschner Moritz
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nächste Zigarette an.
    Kathrin und Simone trinken Sekt, den sie selbst mitgebracht haben, und Simone raucht eine Zigarette nach der anderen. Sie scheint genauso nervös zu sein wie ich, das gefällt mir irgendwie.
    »Und, was machst du so?«, fragt Simone mich nach einer Weile.
    »Studiert«, wirft André abfällig ein.
    »Echt?«, sagt Simone. »Ich hätte dich älter geschätzt.«
    André wirft seinen Kopf nach vorne und prustet los. Ein bisschen Bier spritzt auf den Teppich.
    »Witzig«, sage ich.
    »Sorry, ich wollte dich nicht beleidigen.«
    »Hast du auch nicht«, sage ich beleidigt.
    Dann sagen wir ein paar Sekunden lang nichts.
    »Was studierst du denn?«, fragt Simone schließlich.
    » BWL «, lüge ich, denn BWL , das ist so ein Fach, da fragt man nicht weiter nach, wenn man sich nicht selbst ein bisschen damit auskennt. Wieder entsteht eine Pause. Dann habe ich den rettenden Einfall.
    »Bist du auch bei Facebook?«
    Simones Augen beginnen zu leuchten.
    »Klar«, sagt sie gespielt lässig. »Ist doch heute jeder.«
    »Cool«, sage ich.
    Dann sage ich nichts mehr. Ich muss plötzlich an Steffi denken.
    »Also, Mädels«, springt Max für mich ein, »lasst uns was trinken, so jung kommen wir nie wieder zusammen.«
    Was, wenn ich nie wieder mit Steffi zusammenkomme? krampft es in meinem Magen, und ich merke, wie mir Tränen in die Augen steigen, und ich trinke den Rest meines Bieres auf ex.
    Den Anonymen Alkoholikern gefällt das.
    Ich habe ja versucht, in den letzten zwei Monaten eine neue Frau zu finden. Genauer gesagt: eine Frau, mit der ich zusammen sein möchte. Noch genauer gesagt: eine Frau, die mit MIR zusammen sein möchte. Zwar habe ich – vor allem in der ersten Schock-Phase nach der Trennung von Steffi und der damit verbundenen, klassischen Männerreaktion, die da heißt: SO SCHNELL WIE MÖGLICH VÖGELN ! – ein paar Frauen kennengelernt, die Richtige war allerdings nicht dabei. Und mit Vögeln war auch nix. Am besten von allen hat mir aber Katharina Klemper gefallen, die später meine hundertsechzigste Facebook-Freundin wurde.
    Katharina ist mir während eines Vorstellungstermins für irgendeinen erbärmlichen Promotion-Job aufgefallen, für den ich mich bewerben musste, weil das Geld ein bisschen knapp wurde. Sie war blond, hübsch, ... und blond . Ich war gerade gelangweilt dabei, den mir zugeteilten Personalbogen mit unwahren Informationen zu füttern (Ausbildung: Imker; Hobbys: Menschen häuten; etc.), als Katharina, die am Nebentisch saß, mit den Worten »Meinen Sie MEINE Bankverbindung?« auf sich aufmerksam machte. Hübsch und doof, schoss mir durch den Kopf, genau das Richtige für einen Frauenhelden wie mich, der auch locker ohne seine Freundin auskommen kann. Sofort bat ich die vierzehnjährige Teamleiterin um einen neuen Personalbogen.
    »Wenn du etwas falsch ausgefüllt hast, dann kannst du es auch durchstreichen«, sagte sie zu mir.
    »Äh, ich hab da glaub ich so einiges durcheinandergebracht«, antwortete ich.
    Zwei Tage später zogen Katharina und ich durch diverse Berliner Cafés und verteilten irgendwelche Camel-Gewinnspielkarten nebst Zigaretten an gleichaltrige Besserverdiener. Natürlich habe ich auf unserer Tour auch ehemalige Mitschüler von mir getroffen, aus denen bereits »etwas geworden« war (zum Beispiel Facebook-Freund Nr. 68 Thorben Draeger , der in einer Werbeagentur arbeitet und Facebook-Freund Nr. 103 Matthias Tüchsel , der irgendeine Sendung beim Radio moderiert); alles in allem ziemlich demütigend. Für mich stand fest, dass dies mein erster und letzter Tag als Promo-Girl sein würde! Besonders gut oder gar freundlich war ich in dieser Phase meines Lebens sowieso nicht. Katharina hingegen, die schien in diesem Primaten-Job geradezu aufzugehen. Mit einem kandierten »Hallöchen« glitt sie an die Tische und warf ihre Karten über dem Zielgebiet ab wie der Rosinenbomber Schokotaler, während mich zwei jugendliche Biertrinker zeitgleich davon überzeugen wollten, meinen Job zu schmeißen und Amnesty International über meinen Stun­denlohn zu informieren. Als wir nach drei Stunden endlich fertig waren, fühlte ich mich definitiv fiebrig, und ich fragte Katharina, ob wir denn nicht noch irgend­­wo ein Bier zusammen trinken könnten.
    »Warum nicht?«, antwortete sie.
    Wir machten uns auf den Weg in die Pariser Straße, die wir etwa eine Stunde zuvor schon mal als Schwarzarbeiter (zumindest ich) beackert hatten, und aus Katharinas Bier wurde zunächst eine
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