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Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)

Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)

Titel: Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
Autoren: Christina Berndt
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viel zu schnell in den kleinen Arm des Jungen – mit 80 statt mit drei Millilitern pro Stunde. Nicht einmal halb so viel Kalium verwenden Henker in den USA, um das Leben von zum Tode verurteilten Häftlingen zu beenden.
    Unweigerlich hörte Dennis’ Herz auf zu schlagen. Für unerträglich lange 48 Minuten, in denen sein Gehirn nicht mehr genügend Sauerstoff bekam. Den Ärzten gelang es noch, den Dreijährigen zu reanimieren. Doch er wachte nie mehr richtig auf, war keinen Moment mehr ansprechbar. Fortan wurde Dennis immer wieder von Krämpfen geschüttelt, schien unsägliche Schmerzen zu haben. Schreien konnte er nicht, aber sein kleiner Körper bog sich über die Seite durch, überstreckte nach hinten. »Wir hatten Angst, er würde jeden Moment durchbrechen«, sagt seine Mutter.
    Bald wurde »die schreckliche Wahrheit sichtbar«, wie Ute Hönscheid erzählt. Die Ärzte machten im Kernspintomographen Aufnahmen von Dennis’ Gehirn. Unmissverständlich zeigten sie: Der kleine Junge war ins Wachkoma gefallen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er je wieder Bewusstsein erlangen würde, war angesichts der ausgedehnten Schädigung seines Gehirns ausgesprochen gering.
    »Wir waren noch nicht lange mit Dennis im Zimmer zurück, da flog die Tür auf. Herein stürmte ein Oberarzt mit seinem Gefolge«, erinnert sich Ute Hönscheid. »Er kam bis auf Handbreite an mich heran und starrte mir in die Augen: ›Dennis wird nie wieder sitzen können. Er wird nie wieder sprechen können. Er wird nie wieder laufen können. NehmenSe ihn mit nach Hause und machen Se ihm noch ’ne schöne Zeit‹«, sagte er. Seine Sätze im Frankfurter Dialekt donnerten »wie Peitschenhiebe« auf Ute Hönscheid und ihren Mann Jürgen hernieder, erzählt sie. »Er hat das Todesurteil gefällt. Gehen wir zum Schafott. So vernichtend hörte sich das für uns an.«
    Schließlich machen die Hönscheids, was ihnen der wenig einfühlsame Arzt empfohlen hat. Sie fliegen mit Dennis nach Hause, nach Sylt. Dort stirbt der kleine Junge Monate später nachts in seinem Bett. Endlich entspannt sich das schmerzverzerrte Gesicht des Kindes.
    Inzwischen liegt Dennis’ Tod 16 Jahre zurück. Er wäre heute volljährig. Fröhlich klingt seine Mutter, leicht, voller Lebensfreude und Energie – auch als sie von den schrecklichen Ereignissen des Jahres 1997 berichtet. Fast schon wirkt das merkwürdig auf den Zuhörer. Wie kann jemand, den ein solcher Schicksalsschlag getroffen hat, jemals die Trauer hinter sich lassen?
    Man kann, sagt Ute Hönscheid: »Ihr werdet wieder glücklich sein!« Das ist für sie die wichtigste Lehre, die sie Menschen mitgeben möchte, denen das Schicksal ebensolche Prüfungen auferlegt wie ihr. »Auch wenn man es sich am Punkt tiefster Trauer und Verzweiflung nicht vorstellen kann: Eines Tages kann man wieder glücklich sein – gleichgültig, wie schwer der Schicksalsschlag war«, ist die heute 58-Jährige überzeugt.
    Das wollte Ute Hönscheid zunächst selbst nicht glauben. Nach dem Behandlungsfehler war die schlanke, hochgewachsene Frau, die so viel Lebenslust ausstrahlt, am Boden zerstört. »Die ganze Familie war in Trauer gefangen«, berichtet sie. Dennis war ihr einziger Sohn nach drei größeren Mädchen, die heute zwischen 34 und 22 Jahren alt sind. Sie waren doch immer die »California Family« gewesen. So hatte der Fernsehpfarrer Jürgen Fliege sie einmal genannt. Nichts hatte sie umhauen können, diese strahlende, blonde, braungebrannte Surfer-Familie. Der Vater, ein Weltklassesurfer, hatte sogar einmal ein missglücktes Sprungmanöver auf der Nordsee überlebt, wo er sich zwei Halswirbel und somit fast das Genick gebrochen hatte. Doch das Glück schien nun dahin zu sein. Es gab Tage, andenen sie nichts anderes tun konnten als weinen. Bis zu dem Tag, an dem Jürgen Hönscheid einen Entschluss fasste. »Als es am schlimmsten war«, erzählt Ute Hönscheid, »und wir alle auf dem Badezimmerfußboden bei meiner Schwiegermutter auf Sylt lagen, da sagte Jürgen diesen Satz: Wir wollen wieder glücklich sein!«
    Zunächst reagierte Ute Hönscheid irritiert darauf. Sie hatte doch ihr Kind verloren. Aber dann verstand sie, dass es so nicht weitergehen konnte und dass ihre Trauer niemandem nützt. »Wir beschlossen, dass die Zeit der Trauer nun vorbei sein soll. Dass wir nur noch das Schöne im Leben sehen wollen«, sagt sie. Die Hönscheids eröffneten einen Surfshop auf Fuerteventura, wo sie schon seit einiger Zeit ihr Winterdomizil hatten.
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