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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker
Autoren: Jacques Berndorf
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»Cognac, Bier, Wein, oder was?«
    »Ein Wasser, bitte. Und ich will Ihre Zeit nicht länger beanspruchen. Ich fühle mich sowieso nicht wohl bei diesem Thema.«
    »Es scheint auch nicht so recht zu Ihnen zu passen«, meinte er und verschwand irgendwohin, um das Wasser zu holen. Dabei erklärte er: »Ich habe über unsere Pressestelle erfahren, wer Sie sind. Man liebt Sie nicht sonderlich, weil Sie Ihre Ecken und Kanten haben, aber man nimmt Sie ernst.« Er war hinter einer Wand verschwunden, an der ein hervorragender Druck von Chagall aus der Jerusalem-Zeit hing. »Wie kommen Sie überhaupt an dieses platte Thema, Herr Baumeister?«
    »Weil ich freischaffend bin, weil ich etwas für meine Rente tun muss. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich einfach rausschmeißen würden, anstatt auf meinem im Augenblick eher schwachen Selbstbewusstsein herumzutreten. Darf ich vorher noch eine Pfeife rauchen?«
    »Ja, sicher.« Er tauchte wieder auf und hatte eine Flasche Gerolsteiner Sprudel so in die Armbeuge gelegt, als trüge er etwas Kostbares aus dem Weinkeller. »Es kursieren wilde Gerüchte über mich und mein Privatleben. Alter Wüstling verlässt Frau und Kinder, holt sich eine Schönheit aus Thailand ins Haus, spielt verrückt und trägt hin und wieder sogar im Dienst einen Jeansanzug ohne Krawatte. Ist es das?«
    »Nicht ganz. Wenn ich meinen Auftraggeber richtig verstanden habe, soll ich Sie nach Einzelheiten Ihres Sexuallebens fragen und Ihre Lebensgefährtin um ein paar mindestens obszöne Fotos bitten.« Ich stopfte mir die Straight Grain von Jeantet und sah zu, wie er mit vollkommen ruhigen Händen die Wasserflasche öffnete, mir etwas eingoss, sich einen Cognac nahm und dann zufrieden in einen Ledersessel setzte. Er war sichtlich erheitert und nicht die Spur nervös.
    »Weshalb haben Sie mich eingeladen?«
    Er lächelte und öffnete die Hände zu einer friedvollen Indianergeste. »Um vorzubeugen. Ich weiß, dass irgendwelche Leute aus dem eigenen Ministerium an meinem Stuhl sägen. Die sicherste Methode, einen missliebigen Mann aufs Kreuz zu legen, ist immer noch die, ihn gewissermaßen nebenbei auf der privaten Ebene zur Strecke zu bringen. Als Sie anriefen, kam mir der Gedanke, es könnte wichtig sein, Ihnen zu sagen, was wirklich mit meinem Privatleben ist.«
    »Und was ist wirklich damit?«
    »Es ist normal, denke ich. Ich bin aus Bremen, wie Sie sicher wissen, ein normal sturer Norddeutscher. Die Ministerin bat mich, hier in Bonn für sie zu arbeiten. Bereits damals, vor vier Jahren, habe ich mich von meiner Familie getrennt. Ich kannte die Dame aus Thailand noch gar nicht. Es ist richtig, dass sie meine Lebensgefährtin ist. Es ist nicht richtig, dass ich sie auf einer Reise nach Thailand kennen lernte. Das war in Rom, genauer gesagt in einem Krankenhaus. Sie ist nämlich eine auf Herzfehler spezialisierte Kinderärztin. Sie ist zweiundvierzig Jahre alt und arbeitet hier an der Uni-Klinik. Im Moment macht sie für uns das Abendessen.« Er lächelte, er war zufrieden mit sich und der Welt.
    »Wollen Sie sie heiraten?« Das war eine dümmliche Frage, ich setzte schnell hinzu: »Ich suche nach Munition, um die Story zu killen.«
    Er beugte sich vor, griff nach einer Schachtel mit Mentholzigaretten, zündete sich eine an und murmelte: »Das ist der Knackpunkt der Geschichte, und da werden die Gerüchte auch so ekelhaft. Wir sind längst verheiratet, seit einem guten Jahr.« Dann paffte er den Rauch weit über den Tisch und lachte. »Ich habe Sie eingeladen, um Ihnen das zu sagen. Und damit ist die Geschichte eigentlich keine Geschichte mehr.«
    »Das war sie wohl nie«, sagte ich.
    »Wer wollte das denn drucken?«
    Ich war in Versuchung, eine detaillierte Schilderung des Meinungsmachers Grabert zu geben. Mit einem Seufzer entschied ich mich anders. »Das sage ich nicht. Täte ich es, wäre ich ein Nestbeschmutzer. Sind Sie glücklich?«
    »Ja. Ihr Tabak riecht gut.«
    Seine Frau hieß Anabelle, war auf eine sehr knabenhafte Art schlank und hübsch, dazu heiter und klug. Sie sagte, sie sei in einer Upperclass-Familie streng katholisch erzogen worden und habe von so etwas wie Sexualität erst durch einen gewissen Blechschmidt in Bonn erfahren. Wir schwätzten bis weit nach Mitternacht, ehe ich erleichtert und widerwillig ging.
    Es regnete noch immer, es war noch immer neblig, und Bonn-Süd war trostlos.
    Irgendwer hat einmal formuliert, Bonn sei halb so groß wie der Zentralfriedhof von Chicago, aber doppelt so
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