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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker
Autoren: Jacques Berndorf
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lachte; es gelang nicht sonderlich überzeugend. »Komische Sache«, sagte er mit hellen, misstrauischen Augen. »Erst laufen die Ermittlungen normal an, dann sagt jemand: Schluss! Aus! Alles zur Bundesanwaltschaft! Und was weißt du noch darüber?«
    »Wahrscheinlich weniger als du. Wirklich erschossen?«
    »Ja. Und sogar mit zwei verschiedenen Waffen. Beide Schüsse ins Gesicht. Nicht zu fassen. Du musst doch irgendwas wissen, Mensch.«
    Da redeten die Leute im Umkreis von zwanzig Kilometern von nichts anderem, und ich musste so tun, als wüsste ich absolut gar nichts. »Wenn ich mehr weiß, sage ich es dir.«
    »Sag mal, warum humpelst du so?«
    »Oberschenkelzerrung. Ausgerutscht. Mach’s gut.«
    Er stand da, sah mir nach und glaubte mir kein Wort. Ich fühlte mich ziemlich elend.
    Als Pjotr in seinem alten Wagen auf den Hof bog, schleppte ich gerade Holz für den Kamin ins Haus. Pjotr blieb bei seinem Auto stehen und sah sich aufmerksam um. »Warum leben Sie eigentlich hier?«
    »Weil ich die Leute und das Land mag, weil es ruhig ist, weil kein Idiot mir einredet, ich müsste unbedingt eine Karriere machen, von der ich nicht weiß, ob ich damit glücklich bin, wenn ich sie gemacht habe.«
    »Hier kann man nachdenken.«
    »Ja. Aber Denken ist aus der Mode gekommen. Gehirn ist der Ballast, der zuerst abgeworfen wird.«
    »Sind Sie schlecht gelaunt?«
    »Nein, durchaus nicht. Nur nachdenklich. Haben Sie Neuigkeiten?«
    »Ja.« Er scharrte mit der rechten Schuhspitze im Schnee. »Lawruschka Ljubomudrow ist in Bonn.«
    »Was bedeutet das?«
    »Das weiß ich noch nicht. Es geht wohl dem Ende zu.«
    »Kommt rein«, sagte die Baronin in der Tür. »Es ist draußen viel zu kalt, um nachdenken zu können.«
    »Wissen Sie eigentlich, dass die Eifel das rheinische Sibirien genannt wird?«, fragte Pjotr und half mir, das Holz hereinzutragen.
    »Dann liebe ich Sibirien. Wie geht es eurem Vorsitzenden?«
    »Hervorragend«, sagte er vergnügt, »jedem Russen, der so oft zitiert wird, geht es gut. Kritisch wird es erst, wenn man ihn verschweigt.«
    Die Baronin hatte Kaffee gemacht, es gab salzige Butter, Brot und Eifelschinken. Pjotr war begeistert und schien sich wie zu Hause zu fühlen.
    »Wir wissen nichts von Ihrem Beruf«, sagte die Baronin. »Was sind Sie wirklich?«
    Er grinste sie an. »Nun, bestimmt bin ich kein Typ Null-Null-Sieben, dazu bin ich entschieden zu unsportlich. Ich liebe meinen bleichen, verweichlichten Körper und lege Wert darauf, ihn keinen unnötigen Gefahren auszusetzen.«
    »Hört auf mit dem Small talk«, sagte ich. »Pjotr ist Geheimdienstmann und hat offiziell irgendeine Funktion, von der alle Insider wissen, dass sie nur auf dem Papier besteht. Bevor wir uns gegenseitig in Artigkeiten ersticken, möchte ich feststellen, dass ich mich missbraucht fühle. Die Geschichte auf Ibiza war eine ziemliche Sauerei; wir waren nichts als Lockvögel. Reimer und Strahl würden alles tun, nur nie ein Interview geben. Sie fragen selbst nie, und ihre Antworten bestehen nur aus Töten. Ich möchte ausschließen, dass so etwas wie in Spanien noch einmal geschieht.«
    Er sah mich an und nickte langsam. »Zugegeben, Sie waren das Futter für die Tiger. Neue Mitspieler bringen meistens Unsicherheit ins Spiel, und das wollte ich ausnutzen. Missbraucht? Na gut, wenn Sie meinen.«
    »Warum haben Sie den Polen in den Tod geschickt?«, fragte die Baronin.
    Er stand auf, legte ein Holzscheit ins Feuer und blieb im Feuerschein stehen. »Den Polen konnte niemand retten, ich schon gar nicht.« Er stocherte mit dem Schüreisen in den Flammen. »Buchenholz riecht phantastisch. Sie kennen doch den Film Spiel mir das Lied vom Tod. Im Wesentlichen ist das eine Ansammlung von Männern, unrasiert, in weiten, hellen Staubmänteln, die auf ihren Pferden sitzen und von Zeit zu Zeit Menschen erschießen. Dabei ist durchaus nicht immer einleuchtend, weshalb das geschieht: Die Motivierung ist schwach. Ein kritischer Zuschauer muss denken: Wenn die zwei Minuten miteinander reden würden, wäre der ganze Film hinfällig, weil keiner mehr zu schießen brauchte. Der Regisseur wusste das genau und ließ schweigen. So ähnlich ist das mit den Geheimdiensten: Wir haben es auch da meist mit Männern zu tun, deren geistiger Befund zumindest leicht pathologisch wäre, wenn man sich die Mühe machte, sie zu untersuchen. Sie sind zwar rasiert und hocken nicht auf Gäulen, tragen aber auch oft seltsame Mäntel und sind ständig bereit, völlig
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