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Requiem für eine Sängerin

Requiem für eine Sängerin

Titel: Requiem für eine Sängerin
Autoren: Elizabeth Corley
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mein Vermächtnis an Sie. Verwenden Sie sie nach Gutdünken. Ich bitte Sie nicht um Verständnis und brauche es auch nicht, aber ich appelliere an Ihr Urteilsvermögen, damit die Toten in Frieden ruhen können.
    Victor Rowland
     
    Fenwick zog die restlichen Papiere heraus, die lose mit einer Schnur zusammengebunden waren; der Umschlag trug einen Absender in Melbourne, die Briefmarke war entfernt worden. Er sortierte die Papiere nach dem Datum. Es war ein Brief von Rowlands Onkel, Carols Vater, vom September des vergangenen Jahres, fast auf den Tag genau ein Jahr vor Rowlands Tod. Er las ihn langsam und schlürfte dabei seinen heißen Kaffee.
     
    Lieber Victor,
    ich liege im Sterben, während ich dies schreibe. Der Priester bringt meine Worte zu Papier, und nachdem er mir auf die Bibel geschworen hat, dass er dir den Brief zukommen lassen wird, bleibt mir nur noch meine Beichte.
    Du bist der letzte lebende Verwandte, darum musst du die Last der Wahrheit tragen, die ich so viele Jahre mit mir herumgeschleppt habe. Es ist ein Fluch. Es hat meine Frau getötet und mich langsam vergiftet. Wäre ich stärker, hätte ich längst Schluss gemacht, aber nun wird meine Qual Gott sei Dank bald ein Ende haben.
    Es geht um deine Cousine Carol. Meine geliebte Tochter, mein einziges Kind. So vollkommen, so bezaubernd, dass wir sie für ein Geschenk Gottes hielten. Zu gut für uns, zu schön. Aber ich schweife ab. Ich habe keine Zeit, von ihrem Leben zu schreiben, es geht darum, wie sie gestorben ist.
    Wenn du meine Worte und die Papiere, die ich dir schicke, gelesen hast, wirst du dich fragen, warum ich so viele Jahre geschwiegen habe. Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß es nicht. Als ich es erfuhr, war ich zunächst von Rachegedanken erfüllt. Ich wollte nach England zurückkehren und für Gerechtigkeit kämpfen, aber dann begann der Todeskampf meiner Frau, und ich habe alle Energie und alles Geld in den vergeblichen Versuch investiert, sie zu retten. Vergeblich, weil sie sterben wollte und meine Phantasien ihr nicht geholfen haben.
    Und als sie tot war, habe auch ich auf den Tod gewartet. Ich war mittellos, ließ mich treiben, wartete auf das Ende. Ich war sicher, dass es unweigerlich kommen würde, aber ich lebte weiter. Ich dachte daran, in England zur Polizei zu gehen, daher suchte ich mir einen Job, um die Überfahrt zu bezahlen. Aber bei der Arbeit überlegte ich mir, was geschehen würde, wenn ich zu den Behörden ginge, was es für Carols Andenken bedeutete. Das Gerede über sie und Octavia, das war Unsinn, was aber, wenn die Polizei es ernst nahm?
    Letztendlich habe ich nichts getan. Ich habe mich bei der Arbeit abreagiert. Ich war tollkühn; ich spekulierte; ich ging irre Risiken ein. Je weniger es mir bedeutete, desto mehr Geld verdiente ich. Ich tat alles, um am Ende meines Arbeitstages hundemüde zu sein. Aber der Teufel lachte mich aus. Je weniger mir daran lag, desto wohlhabender wurde ich. Wenigstens wird mein Geld dir die Möglichkeit geben, es zu Ende zu bringen. Mein gesamter Besitz hier wird verkauft; du sollst alles bekommen. Auch nach Abzug der Steuern wirst du nie wieder arbeiten müssen.
    Schon wieder schweife ich ab, dabei muss ich rasch zum Ende kommen. Vor zwei Jahren kam diese Frau nach Sydney, Octavia Anderson. Das Aufheben, das Getue, es war Ekel erregend. Da kam der eigentliche Hass. Da war diese Frau und stolzierte als angehende Berühmtheit herum, stand im Rampenlicht, und dabei hätte Carol diejenige sein sollen. Ich habe eine Vorstellung besucht. Sie war gut, aber nicht so gut, wie Carol gewesen wäre. Sie hatte keine Seele. Hinterher versuchte ich, mit ihr Verbindung aufzunehmen. Ich hätte sie auf der Stelle getötet, wenn ich sie gefunden hätte, und Gott möge mir verzeihen, ich wünsche immer noch, ich hätte es tun können.
    Ich schmiedete Pläne, wie ich sie töten könnte, aber dann wurde ich krank, und sie verließ das Land. Anfangs hoffte ich, ich würde mich erholen und ihr folgen können. Doch es kam anders, und nun muss ich einen Priester um den Gefallen bitten, dass er diesen Brief an dich weiterleitet.
    Dies ist mein Vermächtnis. Du bekommst das Geld, aber dies ist meine wahre Hinterlassenschaft – das Wissen, dass deine Cousine, die du, wie ich weiß, mehr als dein Leben geliebt hast, ermordet wurde. Und die Mörderin stolziert bis zum heutigen Tag frei herum, weil Carols so genannte Freundinnen Bescheid wussten und geschwiegen haben.
    Ich überlasse es dir, was du tust. Was
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