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RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

RENAS VERSPRECHEN (German Edition)

Titel: RENAS VERSPRECHEN (German Edition)
Autoren: Rena Kornreich Gelissen , Heather Dune Macadam
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um in die leeren Güterwagen zu steigen. Ich helfe Danka hinein, die Dina hilft, und so weiter; jede hat gerade so viel Kraft noch einer anderen zu helfen. Wir lehnen uns in die Ecke, endl ich dürfen wir rasten. Dann fan gen wir zu zittern an. Die Kälte fletscht ihre Zähne und gräbt sie uns ins Fleisch. Wegen des Ru ss es will ich mich nicht hinsetzen, doch dieser Vorbehalt dauert nicht lange. Überwältigt von Müdigkeit, lasse ich mich mit den anderen auf dem schwarzen, schmutzigen Boden nieder. [31]
    Luftschutzsirenen heulen los, und Flugzeuge kommen im Sturzflug auf uns zu, während die SS und die Deutschen in den Bahnhof laufen und uns drau ss en lassen. Wir kauern uns in den Waggons zusammen und hoffen, da ss die Bomben uns nicht töten - hoffen, da ss dieses Martyrium ein Ende findet. Trotz des Lärms über uns fallen wir in Ohnmacht.
     
    Stille.
    Ich rühre mich und krieche an der Seite des Waggons hoch, um hinauszuschauen, und sehe die Leute gerade auf den Bahnsteig zurückkehren. Eine Frau mit ihrem Kind steht in der Nähe.  „Bitte, können Sie mir eine Hand sauberen Schnees hochreichen?“, frage ich auf Deutsch. „Wir sind so durstig, und hier oben ist er zu schmutzig, um ihn essen zu können.
    In ihren Augen steht Furcht, als sie einen Blick auf die SS mit ihren Waffen wirft. Sie schaut auf ihr Baby und schüttelt den Kopf. Ich verstehe. Wieder setzt der Schneefall ein, und nach einiger Zeit kann ich eine dünne Lage frischen, sauberen Schnees vom Rand des Waggons kratzen, ehe er schwarz wird. Den bringen wir im Mund zum Schmelzen und versuchen, un seren Durst zu stillen.
    Endlich fährt der Zug an. Der Wind peitscht uns seinen bitterkalten, frostigen Atem ins Gesicht. Ich wei ss nicht, wie spät es ist. Jedes Mal, wenn ich auf meine Uhr schaue, vergesse ich, wie die Zeiger stehen, und ich will meine Armbündchen nicht hochschieben und der kalten Luft Gelegenheit geben, meine Haut direkt zu berühren. Ich wei ss nicht, wie lange der Zug durch die Nacht rast. Wir gehen rein und bleiben dort, bis man uns sagt, da ss wir wi eder herauskommen sollen; dazwi schen wird es dunkel und hell.
    „Raus! Raus!“ Man treibt uns aus den Waggons. Unsere Beine sind vom Sitzen verkrampft, und unsere Gelenke geben nur mühsam nach, als wir in die Schneewehen unter uns sprin gen. Anderthalb Meter tief.
    Wieder marschieren wir lange Zeit durch die Dunkelheit. Es ist unter null Grad. Wir stecken bis zu den Knien im Schnee. Keiner hat vor uns einen Pfad getrampelt. Es gibt keine Fu ss spuren, die darauf schlie ss en lie ss en, da ss andere auf diesem Weg ma r schiert sind; die Körper, die im Gelände verstreut herumliegen, sind noch warm. Es sind alles junge Frauen. Wohin bringen sie uns?
    Gewehrschüsse zerfetzen die Luft, als würden an einem warmen Sommertag Fliegen erschlagen, doch wir marschieren weiter. Ich schaue auf die Uhr, aber die Ziffern haben keine Bedeutung. Vor uns tauchen Lichter auf. Wir marschieren auf die Lichter zu, durch den Schnee auf das Tor eines weiteren Lagers zu: Ravensbrück. Nichtssagende Worte in der Dämme rung - ARBEIT MACHT FREI. Mich verlä ss t aller Mut. Wir sind nicht frei. [32]
    Hier gibt es nichts, keine Decken, keine Betten; hier sind je de Menge junger Frauen, und alle Betten sind belegt. Wir sind so müde, da ss wir uns auf dem kalten schmutzigen Boden zusammenrollen. Ich bin so hungrig, da ss ich mich nach drau ss en schleiche, um etwas zu essen zu suchen. Auf unserem Weg durchs Lager sind wir an einem Kartoffelhaufen vorbeigekommen. Ich taste mich an den Blocks entlang und kämme das Gelände nach dem Schatten ab, der unsere Mägen füllen soll. Doch da sind keine Kartoffeln im Dunkeln, nur haufenweise Leichen.
    Vier Uhr morgens.
    „Raus! Raus!“
    Sie wecken uns mit wässrigem Tee und einer Kante Brot. Ich wei ss nicht mehr, wann wir zuletzt etwas gegessen haben, dann fällt mir ein, da ss es bei der Polin war.
    Geht es hier ums Leben oder um den Tod?

 
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

     
    NEUSTADT – GLEWE
     
    Ein paar Tage lang bleiben wir in Ravensbrück, aber wir sind so viele, und es gibt so wenig Essen, da ss sie beschlie ss en, das Lager aufzut eilen. Die Daumen bestimmen Dan ka, Dina und mich; ich sehe mich um nach Janka, Mania und Lentzi, aber sie sind nicht in unserer Gruppe. Ich wei ss nicht, wo sie sind. Danka, Dina un d ich werden in einen Pritschen lastwagen gepfercht, wo w ir uns aneinanderklammern.
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