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Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Reise Um Die Erde in 80 Tagen

Titel: Reise Um Die Erde in 80 Tagen
Autoren: Jules Verne
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sein!«
    Wirklich nach einigen Minuten kam der Kapitän Speedy unter Schreien und Fluchen auf's Verdeck, gleich einer Bombe, die zerplatzen will.
    »Wo sind wir? waren seine ersten Worte, im Begriff, vor Zorn zu ersticken.
    – Wo sind wir? rief er wiederholt, das Gesicht von Zuckungen verzerrt.
    – Siebenhundertundsiebenzig Meilen von Liverpool, erwiderte Herr Fogg mit unverwüstlichem Gleichmuth.
    – Pirat! schrie Andrew Speedy.
    – Ich habe Sie rufen lassen, mein Herr ...
    – Seeräuber!
    – ... mein Herr, fuhr Phileas Fogg fort, um Sie zu bitten, mir Ihr Schiff zu verkaufen.
    – Nein, bei allen Teufeln, nein!
    – Ich bin genöthigt, es zu verbrennen.
    – Mein Schiff verbrennen!
    – Ja, die oberen Theile wenigstens, denn das Brennmaterial ist ausgegangen.
    – Mein Schiff verbrennen! schrie der Kapitän Speedy, der kaum noch Sylben vorbringen konnte. Mein Schiff ist fünfzigtausend Dollars werth!
    – Hier haben Sie sechzigtausend!« erwiderte Phileas Fogg, und bot ihm einen Pack mit Banknoten an.
    Dies machte auf Andrew Speedy einen wunderbaren Eindruck. Ein Amerikaner geräth beim Anblick von sechzigtausend Dollars in einige Gemüthsbewegung. Der Kapitän vergaß augenblicklich seinen Zorn, seine Einsperrung, alle seine Beschwerden über seinen Passagier. Sein Schiff war zwanzig Jahre alt, und konnte nun noch eine Goldgrube werden! ...
    »Und der Rumpf soll mir bleiben, sagte er mit auffallend gemildertem Ton.
    – Der eiserne Rumpf und die Maschine, mein Herr. Sind Sie's zufrieden?
    – Abgemacht!«
    [228] Und Andrew Speedy nahm die Banknoten, zählte sie und ließ sie in seiner Tasche verschwinden.
    Während dieser Scene ward Passepartout leichenblaß. Fix wurde fast vom Schlag gerührt. Bei zwanzigtausend Pfund waren ausgegeben, und dazu gab dieser Fogg noch Rumpf und Maschine, d.h. den Hauptwerth des Schiffes, dem Verkäufer preis! Zwar die der Bank entwendete Summe belief sich auf fünfundfünfzigtausend Pfund!
    Als Andrew Speedy das Geld eingesteckt hatte, sprach Herr Fogg zu ihm:
    »Mein Herr, daß Sie nicht allzu sehr staunen, will ich Ihnen sagen, daß ich zwanzigtausend Pfund verliere, wenn ich nicht am 21. December, um acht Uhr fünfundvierzig Minuten zu London bin.
    – Und ich hab' einen guten Handel gemacht, bei allen fünfzigtausend Teufeln der Hölle, rief Andrew Speedy; ich gewinne dabei wenigstens vierzigtausend Dollars.«
    Dann fuhr er ruhiger fort:
    »Wissen Sie was? Kapitän? ...
    – Fogg.
    – Kapitän Fogg, wahrhaftig, es steckt etwas von einem Yankee in Ihnen.«
    Nach diesem vermeintlichen Compliment entfernte er sich, und Phileas Fogg sprach:
    »Jetzt gehört das Schiff mir?
    – Allerdings vom Kiel bis zu den Mastspitzen, alles Holzwerk, versteht sich!
    – Gut. Schlagt jetzt die innere Einrichtung zusammen und feuert damit.«
    Man denke, was von diesem trockenen Holz verbraucht werden mußte, um die Dampfkraft in hinreichender Stärke zu erhalten. An diesem Tage gingen das Hinterverdeck, die Cabinen, die Wohnungen, das falsche Verdeck drauf.
    Am folgenden Tage, den 19. December, verbrannte man das Mastwerk, die Sparren und Stengen. Die Mannschaft zeigte sich erstaunlich eifrig im Zerstören; Passepartout mit Hauen, Schneiden, Sägen arbeitete für zehn Mann.
    Am folgenden Tage, den 20., wurden die Geländer, Schanzverkleidung, die Holztheile unter'm Wasser, der größte Theil des Verdecks verzehrt.
    Aber an diesem Tage bekam man die irländische Küste und die Leuchtfeuer von Fastenet in Sicht.
    [229] Doch war das Schiff um zehn Uhr Abends erst Queenstown gegenüber. Phileas Fogg hatte nur noch vierundzwanzig Stunden, um in London einzutreffen! Diese Zeit aber brauchte die Henrietta, um nach Liverpool zu gelangen, – selbst wenn man mit vollem Dampf segelte. Und endlich mußte dem kühnen Gentleman der Dampf ausgehen!
    »Mein Herr, sagte darauf der Kapitän Speedy, der sich nicht mehr um sein Vorhaben kümmerte, Sie dauern mich wirklich. Es ist Ihnen Alles entgegen! Wir sind erst vor Queenstown.
    – Ah! sagte Herr Fogg, die Stadt, deren Leuchtfeuer wir erkennen, ist Queenstown?
    – Ja.
    – Können wir in den Hafen einlaufen?
    – Nicht vor Ablauf von drei Stunden; nur bei hohem Wasser.
    – Warten wir!« erwiderte ruhig Phileas Fogg, ohne in seinen Zügen zu verrathen, daß er durch höhere Eingebung nochmals das Mißgeschick zu überwinden versuchte.
    Queenstown ist ein Hafen an der irländischen Küste, wo die aus den Vereinigten Staaten kommenden Oceanfahrer ihre
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