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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan.
Autoren: Carlos Castaneda
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stieß ich auf einen Pfad, und dann sah ich eine Gruppe Männer und Frauen näherkommen. Es waren Indianer. Ich glaubte, es seien Mazatec-Indianer. Sie umringten mich und fragten, wohin ich ginge. «Ich gehe heim nach Ixtlan«, sagte ich. »Hast du dich verirrt? « fragte einer. »Ja«, sagte ich. »Wieso fragst du?« - »Weil es hier nicht nach Ixtlan geht. Ixtlan liegt in der entgegengesetzten Richtung. Wir gehen selbst dorthin«, sagte ein anderer. »Komm mit uns mit«, sagten sie. »Wir haben Essen dabei!« Don Genaro hielt inne und sah mich an, als wartete er auf eine Frage von mir. »Nun, und was geschah dann?« fragte ich. »Bist du mit ihnen mitgegangen?«
»Nein, bin ich nicht«, sagte er. »Denn es waren keine wirklichen Menschen. Ich wußte es sofort, im Augenblick als sie mir gegenüberstanden. Es war etwas an ihren Stimmen, an ihrer Freundlichkeit, das sie verriet, besonders als sie mich aufforderten, mit ihnen zu gehen. Darum rannte ich weg. Sie riefen mir nach und baten mich, zurückzukommen. Ihre Bitten wurden beschwörend, aber ich lief weiter vor ihnen davon.«
»Wer waren sie?« fragte ich.
    »Menschen«, antwortete Don Genaro scharf. »Nur, daß sie eben nicht wirklich waren.«
»Sie waren wie Erscheinungen«, erklärte Don Juan, »wie Phantome.«
»Nachdem ich eine Weile gewandert war«, fuhr Don Genaro fort, »wurde ich zuversichtlicher. Ich wußte, daß Ixtlan in der Richtung lag, in der ich ging. Und dann sah ich auf dem Weg zwei Männer näherkommen. Auch sie schienen Mazatec-Indianer zu sein. Sie führten einen mit Brennholz beladenen Esel mit sich. Sie gingen vorüber und murmelten: »Guten Tag«.
    »Guten Tag! « sagte ich und ging weiter. Sie achteten nicht auf mich und gingen ihrer Wege. Ich verlangsamte meine Schritte und sah mich unauffällig nach ihnen um. Sie gingen, ohne sich weiter um mich zu kümmern. Sie schienen wirklich zu sein. Ich lief ihnen nach und rief: »Wartet, wartet!«
    Sie hielten ihren Esel an und stellten sich zu beiden Seiten des Tieres auf, als wollten sie die Ladung schützen. »Ich habe mich in diesen Bergen verirrt«, sagte ich. »Wo geht der Weg nach Ixtlan! « Sie wiesen in die Richtung, in die sie gingen. »Du hast einen weiten Weg vor dir«, sagte einer von ihnen. »Ixtlan liegt auf der anderen Seite dieser Berge. Du wirst vier oder fünf Tage dorthin brauchen. « Dann wandten sie sich ab und gingen weiter. Ich war sicher, daß sie wirkliche Indianer waren und bat, mit ihnen kommen zu dürfen.
    Wir gingen einige Zeit miteinander, dann nahm einer von ihnen seinen Proviantbeutel und bot mir etwas an. Ich erstarrte auf dem Fleck. Die Art, wie er mir zu essen anbot, war irgendwie sehr eigenartig. Mein Körper fürchtete sich, darum sprang ich zurück und fing an, vor ihnen davonzulaufen. Die beiden sagten, ich würde in den Bergen umkommen, wenn ich nicht mit ihnen ginge, und versuchten mich zu überreden, mit ihnen zu kommen. Auch sie baten mich beschwörend, aber ich lief vor ihnen weg, so schnell ich konnte.
    So ging ich weiter. Nun wußte ich, daß ich auf dem richtigen Weg nach Ixtlan war, und daß diese Phantome versuchten, mich von meinem Weg fortzulocken. Ich begegnete noch acht weiteren; sie hatten wohl gewußt, daß ich unbeirrt entschlossen war. Sie standen neben der Straße und sahen mich mit flehenden Augen an. Die meisten von ihnen sagten nichts; die Frauen unter ihnen jedoch waren mutiger und versuchten, mich zu überreden. Einige von ihnen zeigten sogar Lebensmittel und andere Güter vor, die sie angeblich, wie unschuldige Händler am Straßenrand, verkauften. Ich blieb weder stehen noch schaute ich hin. Am Spätnachmittag kam ich an ein Tal, das ich wiederzuerkennen meinte. Irgendwie war es mir vertraut. Ich glaubte, schon einmal hier gewesen zu sein, und wenn dies so war, dann befand ich mich tatsächlich südlich von Ixtlan. Ich suchte nach Marksteinen, um mich zu orientieren und meine Richtung zu korrigieren, da sah ich einen kleinen Indianerjungen, der ein paar Ziegen hütete. Er war etwa sieben Jahre alt und so gekleidet, wie ich es in seinem Alter gewesen war. Wirklich, er erinnerte mich an mich selbst, wie ich damals die zwei Ziegen meines Vaters hütete. Ich beobachtete ihn eine Weile; der Junge sprach mit sich selbst, genau wie ich es getan hatte, dann sprach er zu seinen Ziegen. Soviel ich vom Ziegenhüten verstand, machte er seine Sache sehr gut. Er war aufmerksam und sorgfältig. Er verhätschelte die Ziegen nicht, aber er war auch
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