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Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Titel: Reise nach dem Mittelpunkt der Erde
Autoren: Jules Verne
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konnte«
    Wahrlich, die Beweisgründe des Professors singen an auf mich Eindruck zu machen; er machte sie zudem mit seiner gewöhnlichen Leidenschaft und seinem Enthusiasmus geltend.
    »Du siehst, Axel, fügte er bei, der Zustand des inneren Kerns hat verschiedene Hypothesen unter den Geologen veranlaßt; nichts ist weniger bewiesen, als die Thatsache einer inneren Hitze; meiner Ansicht nach ist sie nicht vorhanden, könnte nicht vorhanden sein; doch, wir werden’s sehen, und werden, wie Arne Saknussemm, dann wissen, woran man sich hinsichtlich dieser Frage zu halten habe.
    – Nun ja! erwiderte ich, indem ich diesen Enthusiasmus zu theilen anfing, ja, wir werden’s sehen, wenn man jedoch dort sehen kann?
    – Und warum nicht? Können wir nicht auf elektrische Erscheinungen rechnen, die uns Licht gewähren, und selbst auf die Atmosphäre, welche bei Annäherung an das Centrum durch ihren Druck leuchtend werden kann?
    – Ja, sagte ich, ja! Das ist möglich, nach Allem.
    – Das ist gewiß, erwiderte mein Oheim triumphirend; aber nur stille, verstehst Du? Kein Wort von alle diesem; kein Mensch soll die Idee bekommen, vor uns das Centrum der Erde zu entdecken.«
Siebentes Capitel.
Reise-Vorbereitungen.
    So schloß diese merkwürdige Unterredung. Ich war fieberhaft angeregt. Ich verließ ganz verblüfft das Cabinet meines Oheims, und die Luft Hamburgs reichte nicht aus, um mich darin zu erholen. Ich eilte daher an das Elbufer nach der Dampffähre hin, welche zur Verbindung der Stadt mit der Harburger Eisenbahn dient.
    War ich von dem, was man mich eben gelehrt hatte, überzeugt? War ich nicht vielmehr dem Professor Lidenbrock erlegen? Sollte ich im Ernst nehmen, daß er entschlossen sei, zum Centrum des Erdkörpers zu dringen? Hörte ich soeben die tollen Speculationen eines Narren, oder die wissenschaftliche Darlegung eines großen Genie? Bei Allem, wo hörte die Wahrheit auf, begann der Irrthum?
    Ich schwankte zwischen tausend sich widersprechenden Hypothesen, ohne mich an einer festhalten zu können.
    Doch erinnerte ich mich, daß ich überzeugt worden war, obwohl mein Enthusiasmus anfing mäßiger zu werden; aber ich hätte unverzüglich abreisen wollen, ohne mir Zeit zum Ueberlegen zu lassen. Ja, es hätte mir nicht an Muth gefehlt, augenblicklich meinen Ranzen zu schnallen.
     

    Der Professor packt ein für die Reise. (S. 43.)
     
    Doch muß ich gestehen, eine Stunde hernach war diese Ueberreizung schon gesunken, die Spannung meiner Nerven ließ nach, und ich kam wieder aus den Abgründen der Erde zur Oberfläche empor.
    »Das ist ja lächerlich! sagte ich mir; es hat keinen rechten Verstand! Solch einen Vorschlag kann man einem verständigen Jungen nicht im Ernst machen. Das Alles ist eitel Nichts. Ich habe übel geschlafen, einen schlimmen Traum gehabt.«
     

    Abschied von Hamburg. (S. 46.)
     
    Inzwischen war ich längs dem Ufer der Elbe um die Stadt herum gekommen und auf die Straße nach Altona. Es hatte mich eine richtige Ahnung diesen Weg geführt, denn ich bemerkte bald mein liebes Gretchen, das raschen Schrittes tapfer nach Hamburg heim ging.
    »Gretchen!« rief ich ihr von Weitem zu.
    Das Mädchen stand stille, etwas betroffen schien es, auf offener Straße so angerufen zu werden. Mit zehn Schritten war ich bei ihr.
    »Axel! sagte sie überrascht. Du bist mir entgegen gegangen, das ist ja recht hübsch.«
    Als nun aber Gretchen mich ansah, entging ihr mein unruhiges verstörtes Aussehen nicht.
    »Was ist Dir? sagte sie mir die Hand reichend.
    – Was mir ist, Gretchen!« rief ich.
    Und in zwei Secunden, in drei Sätzen hatte ich meine hübsche Vierländerin über die Lage der Dinge in Kenntniß gesetzt. Einige Augenblicke schwieg sie. Ob ihr Herz gleich dem meinigen klopfte, weiß ich nicht, aber ihre Hand in der meinigen zitterte nicht. Hundert Schritte gingen wir stumm neben einander her.
    »Axel! sagte sie endlich.
    – Liebes Gretchen!
    – Das wird eine schöne Reise sein.«
    Ich sprang auf bei diesen Worten.
    »Ja, Axel, eine Reise, des Neffen eines Gelehrten würdig. Ein Mann muß sich durch ein großes Unternehmen auszeichnen!
    – Wie? Gretchen, Du räthst mir nicht von solch einem Unternehmen ab?
    – Nein, lieber Axel, und ich würde Euch gerne begleiten, wenn nicht ein armes Mädchen ein Hinderniß für Euch wäre.
    – Ist das wirklich Dein Ernst?
    – Wirklich.«
    Ach! Wie sind doch Frauen, junge Mädchen, weibliche Herzen stets unbegreiflich! Seid Ihr nicht die schüchternsten Wesen,
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