Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Reise nach dem Mittelpunkt der Erde

Titel: Reise nach dem Mittelpunkt der Erde
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
Snäfields Jöcul ist der Sneffels.
    – Der Snäfields Jöcul?
    – Der ist’s, ein fünftausend Fuß hoher Berg, einer der merkwürdigsten auf der Insel, und gewiß der berühmteste der ganzen Welt, wenn sein Krater den Eingang zum Centrum der Erde bildet.
    – Aber das ist unmöglich! rief ich mit Achselzucken, und gegen eine solche Annahme mich sträubend.
    – Unmöglich! erwiderte der Professor Lidenbrock mit strengem Ton. Und warum?
    – Weil dieser Krater offenbar mit Lava verstopft ist, die Felsen glühend, und dann …
    – Und wenn’s ein ausgebrannter Krater ist?
    – Ausgebrannt?
    – Ja. Die Zahl der noch thätigen Vulkane auf der Erdoberfläche beträgt gegenwärtig nur etwa dreihundert; aber es giebt eine noch weit größere Anzahl erloschener Vulkane. Unter die letzteren gehört der Snäfields, der seit den historischen Zeiten nur einen Ausbruch gehabt hat, im Jahre 1219; seitdem ist er allmälig stille geworden, und er gehört nicht mehr zu den thätigen Vulkanen.«
    Auf diese bestimmten Angaben hatte ich durchaus nichts zu erwidern; ich warf mich also auf die übrigen Schwierigkeiten, die das Document enthielt.
    »Was bedeutet das Wort Scartaris, fragte ich, und was haben die Kalenden des Juli dabei zu schaffen?«
    Mein Oheim besann sich einige Augenblicke. Einen Augenblick hatte ich Hoffnung, aber auch nur einen Augenblick, denn bald antwortete er mir folgendermaßen:
    »Was Du Dunkelheit nennst, ist für mich Licht. Dies beweist die sinnreiche Sorge, womit Saknussemm seine Entdeckung genau bezeichnen wollte. Der Snäfields hat mehrere Krater, und es war daher erforderlich, denjenigen, welcher zum Mittelpunkt der Erde führt, anzugeben. Wie hat’s nun der gelehrte Isländer gemacht? Er hat bemerkt, daß beim Herannahen des ersten Juli, also gegen Ende des Juni, eine der Bergspitzen, der Scartaris, ihren Schatten bis zu der Mündung des fraglichen Kraters werfe, und hat diese Thatsache in dem Document niedergelegt. Dies war die genaueste Angabe, so daß man, wenn man einmal auf dem Gipfel des Snäfields sich befindet, unmöglich mehr in Zweifel sein kann, welcher Weg einzuschlagen.«
    Allerdings wußte mein Oheim eine Antwort auf Alles. Ich sah wohl, daß ihm bei den Worten des alten Pergaments nicht beizukommen war. Ich setzte ihm daher von dieser Seite aus nicht mehr zu, und da ich vor Allem ihn überzeugen mußte, so ging ich zu den wissenschaftlichen Einwendungen über, welche meines Erachtens ganz anders bedeutsam waren.
    »Nun, sagt’ ich, die Phrase Saknussemm’s, ich muß es zugeben, ist klar und läßt über ihren Sinn keinen Zweifel mehr. Ich gebe sogar zu, daß das Document den Anschein völliger Aechtheit hat. Dieser Gelehrte ist in das Innere des Snäfields hinabgestiegen; hat gesehen, wie der Schatten des Scartaris den Rand des Kraters vor dem ersten Juli bestrich; er hat sogar aus den sagenhaften Erzählungen seiner Zeit entnommen, daß dieser Krater zum Centrum der Erde führe; aber daß er selbst dahin gedrungen, daß er von einer Reise dahin wieder zurückgekehrt sei, glaub’ ich durchaus nicht!
    – Und aus welchem Grund? sagte mein Oheim mit ausnehmend spöttischem Ton.
    – Weil alle Theorien der Wissenschaft beweisen, daß eine solche Unternehmung unausführbar ist!
    – Alle Theorien sprechen das aus? erwiderte der Professor mit gutmüthiger Miene. Ja, die schlechten Theorien! Die armseligen Theorien werden uns geniren!«
    Ich sah, daß er sich über mich lustig machte, aber ich fuhr demungeachtet fort:
    »Ja! es ist eine ausgemachte Sache, daß die Wärme unter der Erdoberfläche mit siebenzig Fuß Tiefe um einen Grad zunimmt; nehmen wir nun dies steigende Verhältniß als sich gleichbleibend an, so muß, da der Erdradius fünfzehnhundert Lieues beträgt, im Centrum eine Temperatur stattfinden von mehr als zweimalhunderttausend Grad! Die Stoffe im Inneren der Erde befinden sich daher im Zustand des glühenden Gas, denn die Metalle, Gold, Platina, die härtesten Steine widerstehen nicht einer solchen Hitze. Ich darf also fragen, ob es möglich sei, in eine solche Umgebung zu gelangen.
    – Also, Axel, die Hitze macht Dir Bedenken?
    – Allerdings. Kämen wir bis zu einer Tiefe von nur zehn Lieues, so wären wir an der Grenze der Erdrinde, denn da ist die Temperatur bereits über dreizehnhundert Grad.
    – Und Du hast Angst zu zerschmelzen?
    – Ich überlasse Ihnen die Entscheidung der Frage, erwiderte ich mit Humor.
    – So will ich Dir meine Meinung bestimmt sagen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher