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Regina schafft es doch

Regina schafft es doch

Titel: Regina schafft es doch
Autoren: Berte Bratt
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laut von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit rede, ich habe die Beleidigte gespielt und ihm keinerlei Gelegenheit gegeben, die Dinge aufzuklären. So habe ich mich gegen den Mann benommen, den ich – den ich…“
    „… geliebt habe“, vollendete Katrin gedämpft.
    „… liebe“, flüsterte Regina.
    Sie verstummte wieder, fing die Arbeit von neuem an, gab es aber nach zwei Minuten wieder auf.
    „Katrin! Ich kann ihn ja nicht vergessen! Ich habe in dieser ganzen Zeit wütend und enttäuscht sein können, aber ich habe doch nie aufgehört, ihn zu lieben! Und Katrin – wenn ich ihm unrecht getan habe!“
    „Aber Regina! Du kannst ja nicht abstreiten, was du mit eigenen Augen siehst und mit eigenen Ohren hörst.“
    „Doch!“ schrie Regina plötzlich auf. „Liebt man einen Menschen, dann vertraut man ihm, man vertraut ihm mit allen Fasern seines Herzens, man vertraut ihm mehr, als man seinen eigenen Augen und Ohren traut! So hat Gert mir vertraut, Katrin. Und so hätte ich ihm vertrauen müssen.“
    Katrin arbeitete schweigend weiter. Sie dachte an den Brief, den sie an eine ihrer alten Schulfreundinnen geschrieben hatte, an die vergnügte und geschwätzige Anke, die immer alles über alle wußte und immer gern die letzten Neuigkeiten erzählte. Katrin hatte geschrieben, sie sei nun jetzt so lange von zu Hause fortgewesen und ahne im Grunde nicht, was in der letzten Zeit geschehen sei. „Schreib und erzähle mir, was du weißt, Anke – wer hat sich verlobt und wer hat geheiratet, wer hat ein Kind bekommen und wer ist gestorben?“ Anke würde eine solche Frage nicht im geringsten auffällig finden, sie würde sich hinsetzen und drauflosschreiben, alles, was sie an Stadtklatsch wußte, und das wäre ja nur gut.
    Wie kam Regina nur auf den Gedanken, Gert könnte geheiratet haben? Vielleicht wollte sie nur sichergehen, bevor sie schrieb; denn daß sie durch die Gegend lief und an einem Brief herumgrübelte, das stand für Katrin fest. Selbstverständlich, bevor Regina diesen Brief schrieb, mußte sie wissen, ob Gert an eine andere gebunden war… In einem halben Jahr konnte so vieles geschehen…
    Katrin sah gleich den Brief, als sie durch die Tür kam. Frau Reisinger pflegte die Post immer auf den kleinen Tisch im Korridor zu legen.
    Sie riß ihn auf, und Reginas Augen hingen an ihrem Gesicht, während sie las. Katrin überflog ungeduldig die erste Seite – auch die zweite und dritte – , dann mit einem Male lächelte sie und reichte Regina den Brief.
    „Hier, Regina, du brauchst dich nicht durch drei dichtbeschriebene Seiten Stadtklatsch durchzufressen, lies hier auf der vierten Seite…“
    Und Regina las:
    „Ja, und dann hat Annette Krüger sich verlobt, mit einem schwerreichen Kaufmann aus Hamburg. Du solltest nur den Straßenkreuzer mal sehen, mit dem er hier zu jedem Wochenende erscheint. Annette ist damit schon gegen einen Torpfosten gesaust, als sie ihn fahren wollte. Ich dachte seinerzeit, Gert Eimer und sie würden ein Paar werden, du weißt, der hübsche Bäcker. Aber ein Bäcker ist wohl doch nicht gut genug für sie. Die Götter mögen wissen, was eigentlich aus dem geworden ist. Ich habe ihn seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen. Vielleicht ist er in einem seiner eigenen Mehlsäcke erstickt. Ach, das ist wahr, entsinnst du dich noch an die Elsa aus unserer Klasse? Die hat doch im vorigen Jahr geheiratet. Stell dir vor, die hat Zwillinge gekriegt…“
    Regina hatte keinerlei Interesse für Elsas Zwillinge. Sie schaute vom Brief hoch.
    „Dann kann ich ja an Gert schreiben, Katrin.“
    „Tu das, Regina.“
    Regina reichte ihr den Brief zurück. Ihre Stimme klang so seltsam eingerostet. „Ich danke dir, Katrin. Tausend Dank!“
    Dann schwiegen sie beide. Und als sie gegessen hatten, ging Katrin in die Küche und unterhielt sich mit Frau Reisinger.
    Aber drin in dem kleinen Zimmer saß Regina am Tisch und stützte ihren Kopf in die linke Hand. Die rechte führte den Füller, und sie schrieb und schrieb – sie schrieb den Brief, den sie in Gedanken mindestens zwanzigmal geschrieben hatte.
    Kein Wort zuviel, kein Wort zuwenig sollte er enthalten. Alles, alles wollte sie auseinandersetzen, ihren Verdacht, und wie sie dazu gekommen war, ihre Selbstbezichtigungen, wie sie allmählich gelernt hatte, mit anderen Augen zu sehen, wie sie ihre eigene Starrköpfigkeit einsah…
    In der Küche aber ging die Kaffeemühle, denn Frau Reisinger gehörte zu jener Sorte Frauen, die immer eine gemütliche
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