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Regency Reality-Show

Regency Reality-Show

Titel: Regency Reality-Show
Autoren: Martina Hertig-Binz
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war lustig zu sehen, wie Lizzi mich erst fragend und abwägend angesehen hatte und ihre Augen mit ihrer neuen Erkenntnis nun zu strahlen anfingen. Meine Belustigung blieb mir jedoch ob ihren nächsten Worten im Halse stecken.
    „Du könntest doch meinen Bruder heiraten. Dann wären wir Schwestern!“
    Ich stöhnte auf. „Lizzi, hör auf, es reicht wenn die Mütter ihre Kinder verkuppeln. Du musst nicht auch noch damit anfangen! Zudem bin ich ganz und gar nicht an einer Heirat interessiert.“
    Mit Lizzis Hilfe zog ich ein anderes Kleid an. Deshalb also hatten früher alle Reichen Zofen und Kammerdiener. Ich besass kein einziges Kleid, das ich ohne Hilfe anziehen konnte. Ans Schnüren der Korsetts mochte ich gar nicht denken. Die Menschen hatten sich das Leben früher selber schwer gemacht.
    „Du Lizzi, ich muss mal für kleine Mädchen? Weisst Du, wo ich da hin muss?“
    „Dort hinter dem grünen Paravent sollte ein Nachthafen stehen. Wir haben ein Dienstmädchen, das ausschliesslich zum Leeren der Nachttöpfe eingeteilt ist. Kannst Du dir das vorstellen? Den ganzen lieben langen Tag nichts anderes tun als stinkende Sekrete herumzutragen und bis zu den Ellenbogen im Dreck zu stecken. Bis am Abend riecht die wahrscheinlich nicht besser, als das, was bei mir unten rauskommt.“
    „Lizzi! Du solltest etwas Dankbarkeit zeigen. Weisst Du wie das stinken würde, wenn im ganzen Haus nicht laufend die Nachttöpfe geleert würden?“
    „Ich sag ja nur –„
    Die Ecke mit dem Nachthafen war wahrlich kein Fünfsterne-Badezimmer. Aber wenigstens war der Nachttopf auf bequemer Höhe in einen Hocker eingelassen, so dass ich mich problemlos hinsetzten konnte. Ich wuschelte verzweifelt in meinen unzähligen Stoffschichten auf der Suche nach dem Band, das meine altertümliche Unterhose zusammenhielt.
    „Was dauert denn so lange?“ Lizzi wurde langsam ungeduldig. Offensichtlich wollte sie nicht noch mehr von der Tanzstunde verpassen.
    „Ich habe Probleme mit meinen Röcken und Unterhosen. Aber geh‘ ruhig schon vor. Bestimmt dauert es noch eine Weile.“
    Lizzi streckte den Kopf um die Ecke und sah mich fragend an. „Du musst durch den Schlitz in der Unterhose pinkeln.“
    „Was? Ja gut. Nun lass mich alleine. Ich komme gleich nach.“
    Auf keinen Fall würde ich durch diesen Schlitz pinkeln. Wie oft hatte ich mir beim Arzt bereits über die Finger uriniert, weil ich den Becher nicht getroffen hatte. Ich hatte überhaupt keine Lust, meine Kleider zu durchtränken und danach auf zehn Kilometer gegen den Wind nach Pisse zu stinken. Kurzerhand entledigte ich mich meiner Unterhose. Ja, viel bequemer. Die würde ich bestimmt nie wieder anziehen. Durch die vielen Stoffschichten meiner Röcke konnte man bestimmt nicht erkennen, ob ich etwas darunter anhatte oder nicht. Einer plötzlichen Eingebung folgend stopfte ich die verschmutzen Schuhe und das Stroh behaftete Kleid mitsamt all meiner Unterhosen zuunterst in eine Truhe neben dem Wandschrank. Wenn ich Glück hatte, würde dort niemals jemand nachsehen.
     
    ***
     
    Die Tanzstunde war gerade beendet, als ich den Ballsaal endlich wiederfand. Alle zogen sich auf ihre Zimmer zurück, um sich für den Abend umzuziehen.
    Vor dem Essen trafen sich alle zum Aperitif im Kaminzimmer. Warum dieses Zimmer so hiess, konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Es hatte doch in jedem grösseren Raum mindestens einen Kamin. Zugegebenermassen, dieser Kamin war in seiner Grösse beeindruckend. Ich hätte ohne den Kopf einzuziehen locker hineingehen können. Leider machte das eher bescheidene Feuer, das darin brannte diesen grosszügigen Eindruck wieder zunichte. Hier müsste man einen Baumstamm am Stück verbrennen!
    „Denken Sie wirklich, dass dies Sinn machen würde? Ein ganzer Baumstamm würde bestimmt Stunden oder gar Tagelang brennen und wir sind täglich wohl kaum länger als eine halbe Stunde hier.“ Verdattert sah ich mich nach der tiefen Männerstimme um. Hatte ich laut gesprochen und die Sache mit dem Kamin nicht nur gedacht? Ich musste wirklich Acht geben, was ich sagte. Es hätte auch leicht ein nicht zur Rolle passender Gedanke sein können.
    „Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Rupert Scott, Baron Milford.“
    „Angenehm my Lord. Ich bin Gertrud von und zu Thundorf.“
    „Sind Sie heute frisch angereist? Ich habe Sie bei der Abendparty gestern nicht gesehen.“
    „Wir sind vor wenigen Stunden eingetroffen. Darf ich Sie mit meinen Eltern bekanntmachen? Mama,
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