Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
es ähnlich sehen.
    Und deshalb war es für ihn nicht damit getan, die Gefahr zu melden. Er musste auch geeignete Vorschläge unterbreiten, wie darauf zu reagieren sei.
    Eigentlich hätten auch noch die Porträts zweier anderer, inzwischen aber fast vergessener Männer an die Wand gehört. Zum einen
das des Eisernen Felix, Felix Dsershinski, dem Gründer der Tscheka, der Vorgängerorganisation des KGB.
    Zum anderen fehlte ein Foto von Josef Wissarionowitsch Stalin. Dieser hatte einst – im Jahre 1944 – eine Frage aufgeworfen, die sich für Andropow auch gerade jetzt wieder stellte. Vielleicht dringlicher denn je zuvor.
    Nun, das würde sich noch herausstellen. Und wer, wenn nicht er, sollte in der Lage sein, eine Entscheidung zu treffen?, dachte Andropow bei sich. Verschwinden lassen konnte man jeden. Dieser Gedanke hätte ihn im selben Moment erschrecken müssen, doch dem war nicht so. Hier, zwischen diesen Mauern, vor achtzig Jahren errichtet, um die Russische Versicherungsgesellschaft zu beherbergen, waren schon so manche Gemeinheiten ausgeheckt und Befehle ausgegeben worden, die den Tod vieler, vieler Menschen zur Folge hatten. In den Kellerräumen war gefoltert und exekutiert worden, womit es erst seit ein paar Jahren ein Ende gehabt hatte – aus Platzgründen. Das Gebäude, so riesig es auch war, war für den KGB, diesen ständig wachsenden Apparat, allmählich zu klein geworden. Er hatte sich in jedem Winkel breit gemacht und noch ein anderes Gebäude an der inneren Ringstraße mit Beschlag belegt. Doch Angestellte der Putzkolonnen erzählten hinter vorgehaltener Hand, dass ihnen in stillen Nächten manchmal die Geister von Gefolterten erschienen und Angst machten. Von offizieller Seite wurden solche Geschichten natürlich bestritten. An Geister und Gespenster glaubte man ebenso wenig wie an eine unsterbliche Seele. Doch einfachen Leuten ihren Aberglauben auszutreiben war sehr viel schwieriger als der Versuch, die Intelligenz dazu zu bewegen, die gesammelten Werke von Wladimir Iljitsch Lenin, Karl Marx oder Friedrich Engels zu kaufen und durchzukauen. Ganz zu schweigen von der schwülstigen Prosa, die Stalin zugeschrieben wurde (tatsächlich aber von eingeschüchterten indoktrinierten Schreiberlingen verfasst worden war). Doch mit den Auflagen ging es glücklicherweise zurück. Nachgefragt wurden solche Schmöker nur noch von ausnehmend masochistischen Studenten.
    Nein, sagte sich Juri Wladimirowitsch, die Leute zum Marximus zu bekehren war nicht besonders schwierig. Der wurde schon den Kleinen in der Grundschule eingetrichtert, dann den jungen Pionieren, den Schülern weiterführender Schulen und den Komsomolzen
der bolschewistischen Jugendorganisation. Die wirklich Gescheiten wurden schließlich Vollmitglieder der Partei und trugen ihren Mitgliedsausweis in der Hemdtasche »nahe dem Herzen« ständig bei sich.
    Wer es so weit geschafft hatte, war dann meist auch kuriert. Die politisch bewussten Mitglieder bekannten ihren Glauben an die Partei, weil ihnen, um weiterzukommen, nichts anderes übrig blieb. Auch die schlauen Höflinge im Ägypten der Pharaonen hatten sich schon ehrerbietig und zum Zeichen ihrer Demut auf die Knie fallen lassen und angesichts der strahlenden Erscheinung ihrer Gottkönige, den Garanten von Macht und Wohlstand, die Augen abgeschirmt, um nicht zu erblinden. Waren seitdem tatsächlich schon fünftausend Jahre vergangen? Das ließ sich in einem Geschichtsbuch nachlesen. Die Sowjetunion hatte Altertumsforscher hervorgebracht, die weltweit hoch angesehen waren, denn ihr Fachgebiet war eines der wenigen, die mit der aktuellen Politik kaum Berührungspunkte hatten. Das antike Ägypten lag von den gegenwärtigen Lebensumständen viel zu weit entfernt, als dass es den philosophischen Spekulationen von Marx oder dem endlosen Gefasel Lenins in die Quere kommen konnte. Und deshalb hatten viele tüchtige Gelehrte eben dieses Feld für sich erkoren. Viele andere wandten sich der reinen Wissenschaft zu, denn reine Wissenschaft war reine Wissenschaft, und ein Wasserstoffatom hatte ebenfalls nichts mit Politik am Hut.
    Wohl aber die Landwirtschaft. Oder die Betriebswirtschaft. Und deshalb hielten sich die Fähigsten von solchen Bereichen fern und wählten stattdessen gleich ein Studium der politischen Wissenschaften. Denn damit war Karriere zu machen. Von dem philosophischen Brimborium musste man ebenso wenig überzeugt sein wie von der Vorstellung, dass Ramses II. der lebendige Sohn des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher