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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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wenn er sich umdrehte, konnte er den gesamten Verkaufsraum überblicken.
    Helge solle bezahlen, hatte er entschieden. Er hatte ihn angerufen, nicht zu Hause, nicht die Nummer, die jahrelang seine eigene Nummer gewesen war. Die auf dem Display geleuchtet hatte, wenn Ursula versucht hatte, ihn zu erreichen. Er hatte in der Firma angerufen, sich durchstellen lassen.
    »Was willst du«, hatte Nicolai gefragt, sobald Helges Stimme am anderen Ende »Baumgärtner« sagte. Stille. »Du hast angerufen«, Helge hatte erstaunt geklungen, ein guter Anfang, fand er. »Was willst du von mir«, hatte Nicolai wiederholt. Wieder war es still gewesen, er hatte im Hintergrund ein Mobiltelefon klingeln hören, Helge sagte nicht Moment bitte und ging ran oder drückte den Anruf weg, Helge hatte gar nichts gesagt, und das Telefon hatte geklingelt. »Warum rennst du hinter mir her?« – »Wir haben den gleichen Menschen geliebt«, hatte Helge geantwortet, »das ist doch was.« Und nach einer Pause, »ich habe keine eigenen Kinder«. – »Was wolltest du mir anbieten«, hatte Nicolai gefragt. – »Wie bitte?« – »Was wolltest du mir anbieten, du hast doch bestimmt einen Plan.« Wieder hatte Helge lange für die Antwort gebraucht. »Komm nach München, du kriegst eins der Häuser, wir machen das zusammen«, seine Stimme klang, als würde er einlenken, etwas zugeben. »Gut«, hatte Nicolai gesagt. »Ich meine es ernst«, sagte Helge. »Ich auch«, hatte Nicolai geantwortet.
    Drei Zimmer in Schwabingen hatte er sich gesucht, kurz mit dem Gedanken gespielt ein Einfamilienhaus zu nehmen. Helge hatte gezahlt, die Wohnung, den Umzugswagen, der an einem Samstagmorgen vor seinem Haus gehalten hatte, die Männer, die seine Wohnungseinrichtung in Kartons packten, runtertrugen und in Bayern wieder auspackten. »Wohin«, fragten sie und hielten ihm Gegenstände unter die Nase. Es hatte ihm Freude gemacht, sich ständig umzuentscheiden.
    Es war Freitag, die meisten Verkäufer waren im Kundengespräch, zwei hatten es bereits an die Schreibtische geschafft, die anderen öffneten noch Türen, halfen den Damen beim Einsteigen, den Männern klappten sie Motorhauben auf, Leistung, wiederholten sie ständig. Nicolai fuhr den Laptop runter, nahm seinen Autoschlüssel, die Jacke von der Garderobe. Die Kinderbetreuung feuerte die Kleinen beim Bobbycar-Rennen an, sie trug ein blaues T-Shirt, ein ebensolches Basecap, hinten wippte ein langer blonder Pferdeschwanz, wenn sie hüpfte. Der Glaskasten befand sich in der Mitte, über den Toiletten, dem einzigen Ort mit Wänden, die nicht durchsichtig waren. Nicolai hatte einen Fahrstuhl, einen eigenen, der nur zu seinem Kasten fuhr, genau drei Knöpfe auf der glänzenden Stahlarmatur, Pfeil nach oben, Pfeil nach unten und die Notruf-Glocke. Die Übersicht behalten solle er, hatte Helge gesagt, das sei seine Aufgabe, um den Rest kümmerten sich die Verkäufer, Assistenten, Techniker. Ihre Schreibtische standen unter ihm, strahlenförmig um den Kasten angeordnet. Ganz außen ein Ring aus Pflanzen, Vitrinen, Vorführwagen, dann ein Ring Schreibtische, in der Mitte die Toiletten und über allem er. Rechts die Schlüsselausgabe für Probefahrten, und links der Tresen des Catering. Nicolai hatte es von Schwäbisch auf Thai umstellen lassen. Das war alles.
    Er arbeitete nicht. Rief alle, Verkäufer, Techniker, das Cateringpersonal, die Putzfrauen zusammen, wenn er ein trockenes Blatt in einem der Pflanzenkübel entdeckte, bestand darauf, dass sie einen Halbkreis um ihn bildeten. Wer für die Sauerei verantwortlich sei, fragte er. Einen hatte Nicolai nach Hause geschickt, weil ihm die Krawatte nicht gefiel, er solle sich eine andere anziehen. Die Techniker wuschen jeden zweiten Tag seinen Firmenwagen, eine S-Klasse, schwarz mit cremefarbenen Lederpolstern, er parkte gerne unter Linden. Den Tee mussten sie ihm hochbringen, und wehe, er war zu kalt. Zu viel Milch, zu wenig Zucker. Sie mochten ihn nicht und noch weniger mochten sie Helge, denn Helge hatte ihn zu ihrem Vorgesetzten gemacht.
    Er sah gut aus im Anzug, nach BWL , MBA in acht Semestern.
    ***
    Die Glocke ertönt, 374 leuchtet rot auf dem Bord über der Tür. Drei noch, vergewisserst dich noch einmal auf der Wartemarke, feuchtgraue Flecken auf dem Papier, deine Hände schwitzen. Musst dich melden, hat Britta gesagt, dir den Weg zum Ordnungsamt erklärt. Zwei Mal nachgefragt, ob du schon da warst. Keine Zeit, Bewerbungsgespräche, hast du geantwortet. Wie die
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