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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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»Manchmal finde ich, du könntest dir ein wenig mehr Mühe geben, ja«, Theresa nickte, die Augen noch immer auf ihre Knie gerichtet, und sah nicht auf. Claas streckte die Hand aus, in Richtung des Glases, gib es mir, ich möchte einen Schluck, hieß das. Als sie sich nicht rührte, stieß er mit seinem Fuß gegen ihren. Sie verdrehte die Augen, als sie aufsah, viel Weiß war zu sehen.
    »Was?«, formten ihre Lippen lautlos.
    Claas deutete erneut auf das Glas.
    »Für mich ist das Wichtigste, dass es dir gutgeht, dass du zufrieden bist«, sagte Theresa, ihre Stimme sanft.
    »Und ich?«, Claas brüllte, seine Stimme hallte in dem leeren Raum, »und was ist mit mir?«

Freitag, 6. März
    »Der Junge kommt.«
    »Gewiss, Frau Streml«, sagte die junge Dame.
    »Erika hat gesagt, es sei tot gewesen«, sie lächelte und schüttelte den Kopf, »war ganz blau, hat sie gesagt.«
    Die junge Dame nickte und hielt ihr ein Glas mit hellrosa Flüssigkeit hin.
    »Sie ist bös wegen Gerhard.«
    »Rhabarberschorle«, sagte die junge Dame, als sie nicht zugriff.
    »Nein danke«, sie war nicht durstig, musste noch einkaufen, der Junge kam, sie musste ihm was anbieten können, alles andere wäre unhöflich. »Ich muss los«, sagte sie und schob ihren Stuhl zurück. Der Stuhl war schwer, sie musste sich an der Tischkante abstützen.
    »Aber wohin denn, Frau Streml? Hier im Garten ist es schön, möchten sie ein Eis?«
    »Nein danke«, sagte sie, »ich benötige Kekse und die kleinen bunten Bärchen, ich muss leider nach Hause.« Die junge Dame tat ihr leid. Die junge Dame fasste nach ihrem Arm.
    ***
    Claas stand unter der Dusche, Theresa klappte den Geschirrspüler zu, schaltete ihn ein. Ebba kam heute wieder, sie wischte den Tisch ab, fing die Brötchenkrümel mit der Handfläche an der Kante auf. Sie hatte Ebbas Bett frisch bezogen, den Staub von der Kommode gewischt. »Lass sie das machen, gib ihr die Chance, erwachsen zu sein«, hatte Claas gesagt.
    Die Brandursache war schnell geklärt gewesen, am Morgen nach dem Feuer hatte die Polizei angerufen, um kurz nach sieben. Theresa hatte sich nicht gerührt, war mit geschlossenen Augen liegen geblieben, vielleicht hört es auf, hatte sie gedacht. Claas war aufgestanden, hatte das Telefon geholt, sich wieder ins Bett gelegt. »Ich verstehe«, hörte sie ihn mehrmals sagen. Er hatte das Licht nicht angeschaltet, die Vorhänge waren zugezogen, aus dem Flur fiel ein heller Streifen durch die offene Schlafzimmertür. »Ein Kurzschluss«, hatte er vor sich hin gesagt, die Worte des Beamten wiederholend, und »ein defektes elektrisches Gerät«.
    Das Lüftergehäuse war aus Kunststoff gewesen, Metall wäre schwerer, viel schwerer. Kunststoff schmolz, wurde flüssig, mitsamt Claas’ Fingerabdrücken, hatte Blasen geworfen, war herabgelaufen. Die Dielen hatten gebrannt, schwarze, zerbröckelnde Stümpfe, er musste geschmolzen sein.
    Als Claas auflegte, hatte sie die Augen geschlossen, ich schlafe. Er bewegte sich nicht, lag stumm neben ihr. Er sieht dich nicht an, sagte sie sich, die Muskeln in ihrem Rücken waren fest geworden, er sieht nicht dich an. War erleichtert gewesen, als sie die Pieptöne der Telefontastatur hörte, Freizeichen, Tula hatte sich gemeldet. »Ich bleibe heute zu Hause«, hatte Claas gesagt, »es gibt viel zu klären nach dem Unfall.« Unfall, nicht Feuer oder Brand oder ein Toter. Theresa hatte protestieren wollen, du schläfst, hatte sie gedacht, nicht die Lider bewegen, du schläfst. Zu Hause, hatte er gesagt, als habe er nicht vor aufzustehen und in seine Wohnung zu fahren. Das Haus war unbewohnbar, fiel ihr ein, er konnte gar nicht in die Wohnung. Sie hatte sich aufgerichtet, »du musst sofort die Versicherung anrufen«, hatte sie gesagt. Er hatte nicht geantwortet, war in die Küche gegangen, hatte sich eine Tasse Kaffee gemacht, nicht gefragt, ob sie auch eine wollte. War zurück ins Bett gekommen. Du ziehst aus, könnte sie sagen. Nein, das hatte sie schon gesagt, du bist ausgezogen, war richtig, was willst du hier. Und wenn er nicht ging, die Arme vor der Brust verschränkte und einfach liegen blieb. Sie sah sich an ihm zerren, beide Hände um seinen Ellbogen gelegt, hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht an ihn, warf sich nach hinten. Allenfalls würde sie seinen Oberkörper wenige Zentimeter über die Matratze ziehen, so dass er schräg läge, sie würde ihn nicht allein aus der Wohnung kriegen, wenn er nicht wollte. Die Polizei könnte sie rufen, Jansen, ja, die
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