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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Autoren: Åsa Larsson
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geworden. Sie kennen viele nette Menschen und unternehmen lustige Dinge miteinander. Ulrika war diejenige, die Diddi Wattrang gekapert hat, die Götter wissen, wie viele vor ihr es versucht hatten. Es war, wie olympisches Gold zu erringen. Aber er will das alles nicht mehr, macht alles kaputt.
    Jetzt murmelt er in ihre Haare. Hält sie in seinen Armen.
    »Liebe, Liebe«, sagt er. »Verlass dich auf mich. Wir machen jetzt, dass wir wegkommen, wir gehen in ein Hotel. Morgen kannst du mich fragen, warum.«
    Er schaut sich um. Überall ist es dunkel und still. Aber die Unruhe prickelt in ihm.
    »Du brauchst Hilfe«, schluchzt sie.
    Und er verspricht ihr, Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie nur jetzt mitkommt. Schnell. Sie werden den Kleinen holen und dann zum Auto laufen und wegfahren.
    Ulrika bringt es nicht über sich, Widerstand zu leisten. Wenn sie jetzt gehorcht, lässt er morgen vielleicht mit sich reden. Das Essen ist für sie ohnehin ruiniert. Besser, sich Mauris Blick zu ersparen, wenn sie zurückkommt und ihre Entschuldigungen murmelt.
     
    Zehn Minuten darauf sitzen sie in dem neuen Hummer und fahren auf die Ausfahrt zu. Ulrika fährt. Ihr Prinzlein schläft im Kindersitz neben ihr. Sie brauchen zwei Minuten, um zum Tor zu fahren, aber als Ulrika auf ihre Fernbedienung drückt, öffnet sich das äußere Tor nicht.
    »Jetzt streikt das schon wieder«, sagt sie zu Diddi und hält einige Meter vor dem Tor an.
    Diddi steigt aus. Er geht auf das Tor zu. Ins Licht der Autoscheinwerfer. Ulrika sieht seinen Rücken. Dann kippt er vornüber.
    Ulrika stöhnt ganz leise. Sie hat das so satt. Sie hat Saufereien und Rausch und Kater und Angst satt. Hat Reue, Gejammer, Durchfall und Verstopfung satt. Hat übersteigerten Sexualtrieb und Impotenz satt. Sie hat es so satt, dass er stürzt, dass er nicht aufstehen kann. Sie will ihm nicht mehr Kleider und Schuhe ausziehen müssen. Und sie hat es satt, dass er sich nicht hinlegen kann, ist seiner Perioden des manischen Wachseins überdrüssig.
    Sie wartet darauf, dass er wieder auf die Beine kommt. Aber das tut er nicht. Nun überkommt sie ein heftiger Zorn. O verdammt, sie spielt mit dem Gedanken, ihn zu überfahren. Einige Male hin und her.
    Dann seufzt sie und steigt aus dem Auto. Ihr schlechtes Gewissen wegen ihrer gemeinen Gedanken macht ihre Stimme weich und fürsorglich.
    »Hallo, Lieber. Was ist los?«
    Aber er gibt keine Antwort. Jetzt bekommt Ulrika es mit der Angst zu tun. Sie macht einige rasche Schritte auf ihn zu.
    »Diddi, Diddi, was ist los?«
    Sie beugt sich über ihn, legt die Hand zwischen seine Schulterblätter und schüttelt ihn ein wenig. Und die Hand wird nass.
    Sie versteht nicht. Sie schafft es nicht mehr, das zu verstehen.
    Ein Geräusch. Ein Geräusch oder etwas, das sie dazu bringt, hochzuschauen und den Kopf zu bewegen. Eine Silhouette vor dem Licht der Scheinwerfer. Ehe sie die Hand vor die Augen heben kann, um nicht geblendet zu werden, ist sie tot.
    Der Mann, der sie erschossen hat, flüstert in sein Headset:
    »Male and female out. Car. Engine running.«
    Er richtet die Taschenlampe in das Wageninnere.
    »There’s an infant in the car.«
    Am anderen Ende der Leitung sagt der Gruppenleiter:
    »Mission as before. Everybody. Shut the engine and advance.«
    Ulrika liegt tot im Kies. Sie braucht das nicht mitzuerleben.
    Und oben in der Dunkelheit ihres Zimmers steht Ester am Fenster und denkt.
    Noch nicht. Noch nicht. Noch nicht. Jetzt!

REBECKA LIEGT IM Schnee vor dem Haus ihrer Großmutter in Kurravaara. Sie trägt die alte blaue Nylonjacke der Großmutter, lässt die Jacke aber offen. Es tut gut zu frieren, es nimmt den inneren Druck. Der Himmel ist schwarz und sternenklar. Der Mond über ihr ist kränklich gelb. Wie ein geschwollenes Gesicht mit Dellen in der Haut. Irgendwo hat Rebecka gelesen, dass Mondstaub nach altem Schießpulver stinkt.
    Wie kann man für einen anderen Menschen so empfinden, fragt sie sich. Wie kann sie das Gefühl haben, sterben zu wollen, weil er sie nicht liebt? Er ist doch nur ein Mensch.
    Weißt du, sagt sie zu ihrem Gott. Ich will ja nicht klagen und quengeln, aber jetzt will ich bald nicht mehr. Niemand liebt mich, und das ist besonders schwer zu ertragen. Schlimmstenfalls lebe ich noch sechzig Jahre. Was soll aus mir werden, wenn ich sechzig Jahre lang allein sein muss?
    Ich war ein Stück weit gekommen, das hast du ja gesehen. Ich arbeite. Ich stehe morgens auf. Ich esse gern Haferbrei mit Preiselbeermarmelade.
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