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Rausfliegen mit Erfolg

Rausfliegen mit Erfolg

Titel: Rausfliegen mit Erfolg
Autoren: Andreas Nentwich
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zuzusprechen.
    Was ist da eigentlich abgelaufen?
    â€žDas muss ich geträumt haben“, denken Sie und versuchen verzweifelt, klare Gedanken zu fassen. Doch die kreisen in Ihrem Kopf mit hoher Geschwindigkeit. Nach und nach überkommt Sie die Gewissheit: Gestern wurden Sie gefeuert.
    Was für eine Bruchlandung.
    Ihnen tut alles weh. Psychisch mehr als physisch. Kein Wunder, Experten stellen den Schmerz über den Verlust des Arbeitsplatzes auf dieselbe Ebene wie den Tod eines geliebten Menschen, eine Scheidung oder eine schwere Krankheit. Sie sind irritiert: „Was ist mit mir los? Ich bin zwar in hohem Bogen rausgeflogen, aber auch nach der Landung bin ich immer noch derselbe Mensch.“
    Leider nicht, zumindest nicht gleich. Sie haben kurzfristig mehr verloren als nur Ihren Job. Die Zurückweisung Ihres ehemaligen Arbeitgebers hat Blessuren auf Ihrer Seele hinterlassen. In der sozialen Rangliste haben Sie unzählige Plätze eingebüßt. Ihre Selbstachtung ist umso stärker in Mitleidenschaft gezogen, je mehr Sie sich über den Beruf definiert haben. Nun befürchten Sie allen Ernstes, dass die bevorstehende angespannte finanzielle Situation Ihren Lebensstandard beeinträchtigen wird, obwohl Sie im Begriff sind, den größten Gehaltsscheck Ihres Lebens zu erhalten. Statt Ihr Ego zu rehabilitieren, setzen Sie lieber Ihre Gesundheit aufs Spiel, indem Sie mit Panikattacken Ihren Blutdruck hochtreiben.
    Heute ist der erste Tag Ihres neuen Lebens.
    Er ist so gänzlich anders als die Tage, Wochen, Monate und Jahre zuvor. Etwas ist besonders eigenartig und zwar diese unnatürliche, ja beklemmende Stille in Ihrem für gewöhnlich hektischen Leben. Während alles um Sie herum seinen gewohnten Gang geht, scheint Ihre persönliche Welt stillzustehen. Es ist, als ob Sie unsichtbar wären. Oder gestorben. Gefangen allein in irgendeinem Paralleluniversum. Sie werden mit einem Schlag von Ihrer Umwelt ignoriert. Zu allererst von Ihrem beruflichen Umfeld. Von jenen, die Sie bisher tagsüber intensiv beschäftigt hatten. Von jenen, die Ihnen kontinuierlich auflauerten, um etwas von Ihrer wertvollen Zeit zu ergattern.
    Das Mobiltelefon hat heute noch gar nicht geläutet! Keine Assistentin, die mit dringlichem Timbre in der Stimme auf Ihren übervollen Terminkalender verweist und Sie zur Eile mahnt. Kein aufgeregter Chef, der eine Erklärung für die soeben herausgekommenen Kennzahlen fordert und Sie sofort nach Eintreffen im Büro sehen will. Keine Meetings, keine Geschäftsreise. Selbst der so vertraute Signalton Ihres Blackberry, mit dem sich normalerweise im Fünf-Minuten-Takt eingehende Mails ankündigen, bleibt aus. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Sie ihn vor Verlassen des Bürogebäudes abgeben mussten. Doch auch jene, die Ihre private Nummer bisher ungeniert nutzten, um Sie während Ihrer knappen Freizeit mit furchtbar dringendem Bürokram zu nerven, jene, die Sie gleich morgen kontaktieren wollten, um Ihren mit Betroffenheit registrierten Rauswurf bei einer Tasse Kaffee zu beplaudern, melden sich nicht. Tja, Sie sind gerade aus dem System gekippt. Sie sind ein „Outlaw“. Sich mit Ihnen abzugeben wäre jetzt ein falsches Signal zur falschen Zeit. Nur gestandene Persönlichkeiten oder wirklich freundschaftlich gesinnte Kolleginnen und Kollegen tun sich das an.
    Auch daheim geht man Ihnen scheinbar aus dem Weg. Das ist keine Böswilligkeit, Sie stören nur den Tagesablauf. Man hat schließlich nicht mit Ihnen gerechnet. Ihr kleiner Sohn fragt interessiert: „Papa, wieso gehst du heute nicht zur Arbeit? Hast du was angestellt?“ Ihr Töchterchen schubst Sie zur Seite: „Papa, du störst.“ Sie stehen den Routinen im Weg. Ihre Anwesenheit ist für die Randzeiten des Tages und das Wochenende vorgesehen. Es sind keine außertourlichen Freizeit-Aktivitäten geplant, nur weil Sie plötzlich über ein außerordentliches Zeitbudget verfügen. Man bietet Ihnen die naheliegende Alternative an, sich nützlich zu machen. Auf dem Weg zum Auto, in dem die Kinder auf ihren Schultransport warten, drückt Ihnen Ihre Frau im Vorbeilaufen hilfsbereit eine Liste in die Hand und wirft Ihnen knappe Anweisungen an den Kopf, um Sie zu beschäftigen. Anscheinend werden Sie doch gebraucht. Ihr ungläubiger Blick schweift über die Aufgabensammlung, deren Erledigung wahrscheinlich drei Monate in Anspruch nehmen
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