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Raumschiff Monitor - Alle sechs Romane

Titel: Raumschiff Monitor - Alle sechs Romane
Autoren: Rolf Ulrici
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dynamisches Lesen!«
    Henri achtete nicht weiter auf den Fremden. Er spähte in das Innere des Gemäuers. Es war leer.
    »Hab ich dir nicht gesagt, hier wohnt niemand«, krächzte die Stimme neben ihm.
    »Aber ...« Henri tappte in die Ruine hinein. »Da ist der Backofen! Gestern hatten wir Fische darin. Und hier, hier haben wir gegessen. Und dort, in der Nische, war sein Zelt!«
    »Wessen Zelt?« fragte das Männchen lauernd.
    »Superhirns Zelt – wessen Zelt denn sonst?« rief Henri. »Marcel heißt der Junge! Er wollte mit uns frühstücken! Wir hatten ihn eingeladen!«
    »Vielleicht hat er sich aufgelöst?« überlegte der Fremde.
    »Quatsch!« polterte Henri aufgebracht. »Ausgerissen ist er! Wir waren ihm zu langweilig. Das ist es. Wie kann sich einer einfach so auflösen? – Wer sind Sie denn überhaupt?«
    »Ich bin der Hochmoor-Schäfer« hüstelte der Mann. »Ich passe auf fünfhundert Schafe auf.«
    »So?« Henri spähte weiter umher, ohne sich um das Männchen zu kümmern. Doch er entdeckte keine Spur von Superhirn. »Wo sind denn Ihre Schafe?« fragte er zerstreut.
    »Eins steht neben mir. Das ist das Leitschaf«, krächzte der Alte. »Vier und ein ganz kleines sind jenseits der Mauer, und die anderen ziehen über das Meer.«
    Henri drehte sich flüchtig um. Durch den Eingang der ehemaligen Kapelle sah er ein weites Stück Landschaft, doch nicht ein einziges Schaf. »Soso«, murmelte er verwundert. Der Mann war anscheinend verrückt! Sogar das Leitschaf konnte Henri nirgends entdecken, und die »vier und ein ganz kleines jenseits der Mauer« waren sicher auch nicht vorhanden. Wo zum Teufel war Superhirn?
    »He!« rief Henri. »Hast du dich in einer Ritze verkrochen?«
    »Er hat sich vielleicht verflüchtigt«, meinte der Mann. »Im Morgengrauen sah ich 'ne Rauchwolke in Menschengestalt übers Moor fliegen, 'ne ziemlich dünne Rauchwolke. Und, meiner Treu, es war, als hätte sie 'ne Brille auf!«
    »Wer?« fragte Henri.
    »Die Rauchwolke«, kicherte der Alte. »Sicher war das der Junge, den du suchst. Wenn ich recht überlege, flog der Schatten gar nicht – er fuhr!«
    »Er fuhr?« rief Henri, immer noch umherspähend.
    »Ja. Auf einem Schattenfahrrad. Oder – ob's Rauch gewesen ist? Ich weiß nicht.«
    »Schönen Dank!« sagte Henri ärgerlich. »Ich denke mir, Ihre Schafe warten auf Sie. Sie sollten sich nicht so lange aufhalten!«
    »Die Schafe machen Ferien und gehen nicht vom Hochmoor runter«, erwiderte der Alte grinsend. Er schneuzte sich in ein riesiges Taschentuch. Dann deutete er auf einen Mauerteil. »Da ist ja dein Freund!«
    Henri war baff. An der Mauer – in Lebensgröße – prangten die schwarzen Umrisse einer Menschengestalt, spindeldürr die Figur, der Kopf lang und schmal, die Gesichtsfläche von einer enormen Brille fast verdeckt.
    »Ja, das ist alles, was an solch einem Ort übrigbleibt«, hüstelte der Mann. »Ich meine, von einem, der hier gezeltet hat.«
    Als sich Henri umwandte, war der Mann weg.

    Ächzend sank Henri zu Boden. Wie soll ich das nur den anderen erklären? dachte er. Die halten mich doch für wahnsinnig. Ich muß den Schäfer erwischen. Aus der Ruine rennend, schrie er: »He, Schäfer! Schäfer! Wo sind Sie? – Verflixt, ich sehe nicht mal ein Schaf!«
    »Aber wir sehen eins!« ertönte die kreischende Stimme von Tati.
    Und Henri sah, wie sich alle vor Lachen im Moor wälzten. Und nicht nur seine Schwester! Auch Gérard, Prosper, Micha und sogar der Pudel Loulou. Ohne zu wissen, worum es ging, nahm er an dem Spaß teil.
    »Du bist das Schaf!« schrie Tati.
    »Nun seid doch mal vernünftig!« schimpfte Henri erbost los. »Was soll denn das? Hört mich gefälligst an. Ich wollte Superhirn zum Frühstück holen, aber die Ruine ist leer! Seine Sachen sind weg, sogar das Zelt und das Fahrrad! Statt dessen sah ich 'ne unheimliche Zeichnung an der Mauer, eine Zeichnung mit Brille! Ein alter Mann sagte, mein Freund hätte sich verflüchtigt – so erginge es jedem in der Ruine. Jetzt such ich diesen Mann. Er hat behauptet, er sei Schäfer!«
    »Wenn du ihn sprechen willst – da sitzt er«, quietschte Tati und deutete zwischen die Zelte. »Wir hatte ihn doch zum Frühstück eingeladen. Er ist gerade dabei, Eier in die Pfanne zu schlagen.«
    Während sich die anderen wieder vor Lachen wälzten, rannte Henri zur Kochstelle. Und dort fand er – Superhirn.
    »Guten Morgen, Henri«, grüßte der Junge mit der Brille freundlich. »Möchtest du zwei oder drei Eier? Ich esse
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