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Raum

Raum

Titel: Raum
Autoren: Emma Donoghue
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aus uns geschneidet. Neun ist meine schlimmste Lieblingszahl. »Was ist mein Groß?«
    »Deine Größe. Also, genau weiß ich es gar nicht«, sagt sie. »Vielleicht könnten wir ja irgendwann mal als Sonntagsgutti um ein Maßband bitten.«
    Ich dachte immer, Maßband ist nur Fernseher. »Nö, lieber was Süßes.« Ich lege meinen Finger auf die 4 und stelle mich mit dem Gesicht dagegen, mein Finger ist auf meinem Haar. »Diesmal bin ich nicht viel mehr groß geworden.«
    »Das ist normal.«
    »Was heißt normal?«
    »Das heißt …« Ma beißt sich auf die Lippen. »Das heißt, alles in Ordnung. No hay problema .«
    »Aber guck mal, wie groß meine Muskeln sind.« Ich springe auf Bett. Ich bin der Riesentöter Muck mit den Siebenmeilenstiefeln.
    »Wahnsinn«, sagt Ma.
    »Gigantisch.«
    »Kolossal.«
    »Irre.«
    »Enorm«, sagt Ma.
    »Gigantossal.« Das ist ein Wörtersandwich, weil wir zwei zusammenpappen.
    »Nicht übel.«
    »Weißt du, was?«, sage ich. »Wenn ich zehn bin, dann bin ich ganz großgezogen.«
    »Tatsächlich?«
    »Ich werde immer größer und immer größer, und dann bin ich menschlich.«
    »Menschlich bist du eigentlich jetzt schon«, sagt Ma. »Wir sind beide menschlich.«
    Ich dachte immer, das richtige Wort für uns wäre »in echt«. Die Personen in Fernseher sind nämlich nur aus Farben.
    »Meintest du vielleicht männlich, mit ä ?«
    »Ja«, sage ich. »Männlich und mit einem Jungen in einem Ei in meinem Bäuchlein, und der ist dann auch in echt. Oder sonst werde ich ein Riese, aber ein lieber und sooo groß.« Ich springe hoch und titsche ganz oben gegen Bettwand, wo schon schräg Dach hochgeht.
    »Tolle Idee«, sagt Ma.«
    Ihr Gesicht ist ganz alle geworden, das heißt, ich habe was Falsches gesagt, aber ich weiß nicht, was.
    »Dann ich springe durch den Oberlicht ins Weltall und danach, boing boing , zwischen den Planeten hin und her«, erkläre ich ihr. »Ich besuche Dora und Spongebob und meine ganzen Freunde. Und ich habe einen Hund, der heißt Lucky.«
    Ma tut so, als ob sie lächelt. Sie räumt den Schreiber wieder auf Regal.
    »Wie alt bist du auf deinem nächsten Geburtstag?«, frage ich sie.
    »Siebenundzwanzig.«
    »Boah.«
    Ich glaube nicht, dass sie jetzt wieder froh ist.
    Während Wanne einläuft, holt Ma Labyrinth und Fort von Schrank. An Labyrinth basteln wir schon, seit ich zwei war, sie ist aus lauter Klorollen, die haben wir zu Tunneln zusammengeklebt, die nach überallhin umbiegen. Flummi macht es unheimlich Spaß, sich in Labyrinth zu verirren und zu verstecken, dann muss ich ihn rufen und rütteln und schütteln und kippen und umdrehen, bis er endlich rauskommt, uff!
    Danach schicke ich andere Sachen in Labyrinth, zum Beispiel eine Erdnuss oder ein Stückchen blauen Stift oder eine kurze Spaghetti, nicht gekocht. Die jagen sich in den Tunneln und schleichen sich ran und rufen buh. Sehen kann ich sie nicht, aber ich höre am Karton, und so kann ich rauskriegen, wo sie sind. Zahnbürste will auch mal, aber ich sage ihm, tut mir leid, du bist zu lang. Dafür springt er in Fort und bewacht einen Turm. Der Fort ist aus lauter Blechdosen und Vitaminfläschchen gemacht. Jedes Mal, wenn wir eine leere haben, bauen wir ihn größer. Fort kann in alle Richtungen gucken und spritzt heißes Öl auf die Feinde, und die haben keine Ahnung, dass er auch geheime Ritzen für Messer hat, haha. Ich würde ihn gern mal in Wanne mitnehmen, dann wäre er eine Insel, aber Ma sagt, dann wird er unklebrig.
    Wir machen unsere Pferdeschwänze auf und lassen unsere Haare schwimmen. Ich liege auf Ma und mache keinen Mucks. Ich höre, wie ihr Herz wummert. Wenn sie atmet, gehen wir immer ein bisschen rauf und runter. Mein Peterchen schwebt hoch.
    Weil mein Geburtstag ist, darf ich aussuchen, was jeder von uns anzieht. Mas Sachen wohnen in der oberen Schublade von Kommode und meine in der unteren. Ich suche mir ihre Lieblings-Bluejeans aus, die mit den roten Nähten, die sie nur bei besonderen Anlässen trägt, weil sie an den Knien schon ausfransen. Für mich suche ich den gelben Kapuzenpulli aus. Bei der Schublade passe ich auf, aber trotzdem kommt die rechte Ecke raus, und Ma muss sie wieder reinhauen. Zusammen ziehen wir meinen Kapuzenpulli runter, und erst will er mein Gesicht fressen, aber dann, plopp , ist er an.
    »Soll ich nicht doch mal einen kleinen Schlitz in den V-Ausschnitt machen?«, fragt Ma.
    »Kommt nicht in die Tüte.«
    Beim Sport lassen wir die Socken aus, weil nackte Füße
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