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Raubzug mit dem Bumerang

Raubzug mit dem Bumerang

Titel: Raubzug mit dem Bumerang
Autoren: Stefan Wolf
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machen. Hau ab!
    Den Friedhofsgärtner Fabian
Fenloh, genannt Totenblume, würde es nicht stören, wenn er einen Zahn zulegte.
Fabian war ein rüder, kaltherziger Kotzbrocken. Und Branko hatte ihn bemerkt —
drüben hinter den Lebensbäumen, wo er mit seiner Schubkarre und frischen
Stiefmütterchen zu Gange war.
    Ronald räusperte sich. Dann
begann er zu reden — als wäre er eine Erklärung schuldig. Eine Erklärung für
sein Hiersein, für seine Neugier.
    „Brendl war Arzt“, meinte er
versonnen. „Ein Dr. med. Steht ja auf dem Stein. Außerdem war Brendl ein
leidenschaftlicher Jäger. Eines Tages im Herbst 1973 verschwand er spurlos. Er
hatte keine Familie. Aber er hatte viele Affären. Mit verheirateten Frauen. Mit
vielen schönen Frauen. Eine Liebschaft nach der anderen. Ja, so ein Typ war
das.“
    „Hat vielleicht gewusst, dass
nicht werde alt. Hat alles vorher gemacht — in kurzem Leben.“
    Ronald schien ihn nicht zu
hören. „Niemand wusste etwas“, fuhr er fort. „Niemand hatte eine Erklärung.
Dann, im Mai 1974, wurde er gefunden. Das heißt, seine stark verweste Leiche.
Er war verunglückt auf der Pirsch, war in eine unwegsame Schlucht gestürzt. Der
Datumsanzeiger seiner Armbanduhr war zerschmettert, war stehen geblieben am
20.11.73.“
    „Jaja“, nickte Branko und
wischte weitere Reste zusammen. „Jagd ist gefährlich. Besonders, wenn du jagst
Kafferbüffel.“
    Ronald beugte sich vor. „Hier
für Sie!“ Er ließ einen Hunderter in die Grube flattern. „Bitte, suchen Sie
sorgfältig. Ich glaube nämlich, dass auf dem Sargboden etwas liegt. Etwas
Bestimmtes.“
    Branko hatte den Schein
eingesteckt. „Danke! Wonach soll ich suchen?“
    „Nach einem Projektil, einer
Pistolenkugel. Sie war Brendls Glücksbringer. Ein Wilddieb hatte mal auf ihn
geschossen und sie blieb stecken in Brendls goldenem Zigarettenetui. Er trug’s
in der Brusttasche. Bei der Beerdigung damals hat ihm ein Freund das Ding — die
Pistolenkugel, meine ich — mitgegeben. In den Sarg.“
    Branko wischte auf fauligen
Brettern herum.
    „Ich glaube, ich habe es.“
Branko grinste vor Freude. „Da!“

     
    *
     
    Nicht zu fassen!, dachte Fabian
Fenloh, genannt Totenblume. Das ist ‘ne Story. Wenn die wahr ist, nehme ich
,Totenblume‘ als zweiten Vornamen. Nee, nee, nee! Dieser schneidige Alte lügt
wie ‘ne Regierungserklärung. Dahinter steckt ‘ne Tragödie. Die interessiert
mich. Da kann ich absahnen — und später gibt’s dem Alten was auf den Hut. Das
eine und das andere — meine Spezialität.
    Fabian Fenloh kniete neben
einem Grab, hatte Erde gelockert und pflanzte jetzt Stiefmütterchen auf Carola
Lunks Ruhestätte. Carola war 1953 verblichen, im gesegneten Alter von 91
Jahren. Für ihr Grab wurde die Miete bezahlt, obwohl sie zu Lebzeiten als der
Schrecken der Lunkschen Sippe gegolten hatte. — Fabian bückte sich tief und
luchste durch einen Spalt zwischen den Lebensbäumen. Aha! Der Alte hatte das
Projektil gesäubert und in die Tasche gesteckt. Er nickte Branko zu, dann
schritt er zum Ausgang. Seine Schritte knirschten im Kies.
    An dem bleibe ich dran, dachte
Fabian. Er stand auf und wischte sich die Hände am Overall ab.
    Fabian war 39, maß 198 cm, wog
aber nur 81 Kilo. Trotzdem hatte er ein teigiges Gesicht mit alabasterweißer
Haut. Sie bräunte nie. Sonnenbrand zeigte sich bei ihm mit Blasen auf der Haut,
nicht mit Röte. Man sah ihn nie ohne Schildmütze oder Hut. Das tiefschwarze
Haar war immer fettig und strähnig und wuchs lang in den Nacken. Totenblume als
Spitzname — irgendwie passte es zu ihm. Wer ihn flüchtig betrachtete, hielt ihn
für harmlos. Doch was er auch ansah — sein Blick blieb immer so kalt wie ein
Hähnchen aus der Tiefkühltruhe.
    Als er Ronald verfolgte, hielt
er sich im Schutz von Büschen und Grabsteinen.
     
    *
     
    Also doch! Ronald fühlte das
Projektil in der Hosentasche, als er weiterging zu einem anderen Grab, einem
gepflegten Doppelgrab im Schatten einer Ulme.
    Hier war nur eine Hälfte
belegt. Die andere war für ihn reserviert.
    Er lächelte. Ich habe noch
Zeit, dachte er. Viel Zeit.
    Julia lag hier. Seine Frau.
Verschieden am 20.11.73. Gewaltsam. Ihr kleiner Sportwagen verschmolz mit dem
Pfeiler der Autobahnbrücke. Und Ronald hatte nie genau gewusst: Unfall? Oder
Selbstmord?
    Sie hatte eine Affäre gehabt
mit Brendl, diesem widerlichen, aber erfolgreichen Schürzenjäger. Als Lover ein
Nimmersatt und bekannt dafür, dass er seine Geliebten abhalfterte,
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