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Rattenkoenig

Rattenkoenig

Titel: Rattenkoenig
Autoren: James Clavell
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einer dieser wenigen sein.
    »He, hört mal her, Leute!« Hauptmann Spence stand mitten in der Baracke, aber seine Stimme war draußen zu hören. Er war diensthabender Offizier der Woche, Barackenältester, ein kleiner dunkler Mann mit verzerrten Zügen. Er wartete, bis alle hereingekommen waren. »Wir müssen weitere zehn Mann für das Holzkommando abstellen.« Er prüfte seine Liste und rief die Namen auf und blickte dann auf. »Marlowe!« Es kam keine Antwort. »Weiß jemand, wo Marlowe steckt?«
    »Ich glaube, er ist unten bei seiner Einheit«, rief Ewart.
    »Sagen Sie ihm bitte, er ist für das morgige Arbeitskommando auf dem Flugplatz eingeteilt.«
    »In Ordnung.«
    Spence begann zu husten. Sein Asthma war heute schlimm, und als der Anfall vorüber war, fuhr er fort: »Der Lagerkommandant hatte heute morgen erneut eine Unterredung mit dem Japsengeneral. Er hat größere Rationen und Medikamente verlangt.« Spence räusperte sich in die einen Augenblick herrschende Stille hinein. Dann fuhr er fort, und seine Stimme war flach. »Er bekam die übliche Abfuhr. Die Reisration bleibt bei hundertzwanzig Gramm je Mann und Tag.« Spence sah zu den Türen hinaus und vergewisserte sich, daß auch beide Ausgucke auf Posten standen. Dann senkte er die Stimme, und alle lauschten erwartungsvoll.
    »Die Alliierten stehen etwa hundert Kilometer vor Mandalay und sind noch immer in zügigem Vormarsch. Sie treiben die Japsen vor sich her. In Belgien stoßen die Alliierten weiter vor, aber das Wetter ist sehr schlecht. Schneestürme. An der Ostfront das gleiche, aber die Russen preschen wie Teufel auf Urlaub vor und hoffen, Krakau in den nächsten Tagen einzunehmen. Die Yankees kommen bei Manila gut voran. Sie stehen in der Gegend des …« Er zögerte, versuchte sich an den Namen zu erinnern. »Ich glaube, es ist der Agnofluß auf Luzón. Das ist alles. Aber es ist gut.«
    Spence war froh, daß dieser Teil vorüber war. Er lernte die Nachrichten bei der täglichen Besprechung der Barackenältesten auswendig, und jedesmal stand er auf, um sie öffentlich zu wiederholen, und der Schweiß erkaltete, und im Magen hatte er ein leeres Gefühl. Eines Tages konnte ein Spitzel ihn verraten und dem Feind erzählen, daß er einer der Männer war, die die Nachrichten verbreiteten, und Spence wußte, daß er nicht stark genug war, um stumm zu bleiben. Oder ein Japaner hörte eines Tages, wie er es den andern erzählte, und dann …
    »Das ist alles, Leute.« Spence ging zu seinem Bett hinüber; er war von Übelkeit erfüllt. Er zog die Hosen aus und ging mit einem Handtuch über dem Arm aus der Baracke.
    Die Sonne stach. Noch zwei Stunden bis zum Regen. Spence ging über die Asphaltstraße und stellte sich für eine Dusche an. Er mußte immer eine Dusche nehmen, nachdem er die Nachrichten weitergegeben hatte, denn der Schweißgestank hing beißend um ihn.
    »In Ordnung, Kumpel?« fragte Tinker.
    Der King besah seine Nägel. Sie waren gut manikürt. Das Gesicht spannte von den heißen und kalten Tüchern und duftete durchdringend nach dem Hautwasser. »Bestens«, sagte er, als er ihn bezahlte. »Danke, Tink.« Er stand vom Stuhl auf, setzte seinen Hut auf und nickte Tinker und dem Oberst zu, der geduldig auf einen Haarschnitt gewartet hatte.
    Beide Männer starrten hinter ihm her.
    Der King ging rasch den Weg hinauf, vorbei an sich drängenden Baracken, und strebte nach Hause. Er war angenehm hungrig.
    Die Amerikanerbaracke stand etwas abseits von den übrigen, nah genug an den Mauern, um den Nachmittagsschatten zu teilen, und nah genug am ringsum führenden Weg, der die Lebensader des Lagers war, und nah genug am Zaun. Sie lag gerade richtig. Hauptmann Brough von der US-Luftwaffe, der rangälteste amerikanische Offizier, hatte darauf bestanden, daß die amerikanischen Soldaten ihre eigene Baracke erhielten. Die meisten amerikanischen Offiziere wären am liebsten ebenfalls da eingezogen – es war schwer für sie, unter Ausländern zu leben –, aber das war nicht erlaubt, denn die Japaner hatten befohlen, Offiziere von den Mannschaftsdienstgraden zu trennen. Die übrigen Nationalitäten fanden das schwer zu verdauen, die Australier weniger als die Engländer.
    Der King dachte an den Diamanten. Es würde nicht leicht sein, dieses Ding zu drehen, und drehen mußte er dieses Ding. Als er sich der Baracke näherte, bemerkte er plötzlich neben dem Weg einen jungen Mann, der auf den Schenkeln hockte und wie ein Wasserfall auf malaiisch auf
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