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Ratgeber Magersucht

Ratgeber Magersucht

Titel: Ratgeber Magersucht
Autoren: Thomas Paul
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Lebensbereiche werden sich möglicherweise völlig neu für Sie erschließen, z. B. ein soziales Leben aufzunehmen, in dem Sie gemeinsam mit Freunden Essen gehen können, eine Partnerschaft zu leben, Kinder haben zu können, sich im Beruf zu verwirklichen. Sie haben die Möglichkeit, neue Interessen zu finden, sich selbst zu entdecken mit Ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten, die Sie unabhängig von ihrer Figur und Ihrem Gewicht auszeichnen.
3.8   Muss ich vielleicht etwas in meinem Leben
ändern?
    Auch diese Frage ist nur sehr individuell zu beantworten. Manchmal ist es so, dass die Magersucht durch aufrechterhaltende Faktoren im Umfeld mitbedingt wird. Beispielsweise kann eine Betroffene in einem Umfeld, das sie als unkontrollierbar erlebt (z. B. durch Alkoholabhängigkeit eines oder beider Elternteile), die einzige Möglichkeit etwas zu beeinflussen darin sehen, dass sie ihr Gewicht und Essverhalten strengsten Regeln unterwirft. In diesem Fall kann eine durchgreifende Veränderung der Lebensumstände wie z. B. der Weggang von Zuhause und die Unterbringung in einer Wohngruppe notwendig sein, um den Ausstieg aus der Magersucht zu erleichtern. Ist eine Magersüchtige durch bestimmte Lebensumstände, wie allein leben, Beginn eines Studiums oder einer Ausbildung, überfordert, kann für eine Übergangszeit, bis sie sich den Anforderungen gewachsen fühlt, eine Veränderung der Umstände versucht werden. Wichtig ist auch, sich über seine persönlichen Risikosituationen klar zu sein und einen Umgang mit diesen zu überlegen. Beispiele für Risikosituationen sind, sich ständigem Stress auszusetzen, der zur persönlichen Überforderung führt, oder als Fitnesstrainerin zu arbeiten und sich dabei zuviel zu bewegen. Ferner ist das Risiko in bestimmten Berufsgruppen erhöht, z. B. bei Leistungssportlern. In diesen Fällen können durchgreifende Veränderungen notwendig sein, um das Risiko eines Rückfalls in die Erkrankung zu verringern.
    In anderen Fällen hat sich die Symptomatik der Essstörung so sehr verselbstständigt, dass das Umfeld nur eine geringe oder keine Rolle bei der Aufrechterhaltung der Essstörung spielt. In diesem Fall müssen Sie nicht Ihr Umfeld verändern, sondern Ihren Umgang mit den Dingen, was auch eine deutliche Veränderung Ihres Lebens bedeuten kann. Sollten Sie z. B. in der Therapie herausfinden, dass es zur Überwindung Ihrer Magersucht wichtig ist, sich selbst wichtiger zu nehmen und vermehrt für eigene Bedürfnisse einzustehen, wird sich dies auch auf Ihr Umfeld und Ihr gesamtes Leben auswirken.
    Therapie bedeutet immer eine Veränderung – das Ausmaß der inneren bzw. äußeren Veränderung kann dabei sehr unterschiedlich sein.

4     Ein Fallbeispiel
    Kirsten litt seit ihrem 16. Lebensjahr an einer Essstörung. Sie berichtete, dass ihre Mutter damals eine Krebserkrankung gehabt habe. Es sei ihrer Mutter sehr schlecht gegangen, sie habe kaum noch essen können. In dieser Situation stellte sich bei Kirsten der Gedanke ein, dass sie auch nicht essen dürfe, wenn ihre Mutter mit dem Tod ringt, verbunden mit starken Schuldgefühlen beim Essen. Gleichzeitig hatte sie an sich den Anspruch, stark zu sein, ihrer Mutter bloß nicht noch zusätzliche Sorgen zu machen. Vor der Erkrankung der Mutter war Kirsten schlank aber für ihr Alter normalgewichtig: Bei ihrer Körpergröße von 164 cm wog sie 49 kg, was einem BMI von 18,4 entspricht. Innerhalb kurzer Zeit nahm sie 3 bis 4 kg ab. Freunde gratulierten ihr zu der Gewichtsabnahme und machten ihr Komplimente zu ihrem „besseren Aussehen“. Dies spornte Kirsten an, ihre Nahrungsaufnahme immer weiter einzuschränken – auch als es ihrer Mutter wieder besser ging. Auf ihr Untergewicht aufmerksam wurde sie erst, als ihre Menstruation ausblieb. Bis zum Alter von 18 Jahren verringerte sie ihr Gewicht schleichend bis auf 32,7 kg (BMI = 12,2). Sie beschäftigte sich den ganzen Tag nur noch mit Essen. Sie fastete, erlaubte sich nur früh morgens und am frühen Abend etwas zu essen zu sich zu nehmen, zum Beispiel ein Stück Obst, etwas fettfrei gekochtes Gemüse und etwas Joghurt mit 0,1 % Fett. Um nicht zuzunehmen ging sie täglich mehrere Stunden spazieren. Eigentlich versuchte sie immer auf den Beinen zu sein, weil sie einen starken Bewegungsdrang spürte. Eigene Gefühle nahm sie kaum noch wahr, alles drehte sich darum, die wenigen Mahlzeiten des Tages zu planen oder einzunehmen.
    Der Umgang mit Gefühlen in ihrer Familie war auch vor Kirstens
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