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Rasputins Tochter

Rasputins Tochter

Titel: Rasputins Tochter
Autoren: Robert Alexander
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für die Wahrheit?“
     

K APITEL 1
    Dezember 1916
    Eine Woche vor Rasputins Ermordung
     
    Es war elf Uhr abends vorbei, als das Telefon in unserer Wohnung läutete, was nicht so ungewöhnlich war, weil die Leute immer Papas Hilfe brauchten, und in unserer Stadt, die Stadt von Peter, hatten Uhren nie Sinn gemacht. Obwohl wir uns schnell dem tiefsten Punkt des Jahres näherten und das Tageslicht kaum mehr als ein gleichgültiges Blinken war, war Schlaf für uns alle schwer erfassbar.
    Ich trug noch immer meine blaues Lieblingskleid, als ich auf dem Bett saß, Pushkins Evgeni Onegin und Belys Peterburg neben mir. Aber statt diese berühmten Dichter zu lesen, war ich von einer neuen gefesselt, Marina Tzwetajewa, die ein paar Jahre vorher meinen Traum, ein Buch zu veröffentlichen, erreicht hatte, als sie gerade achtzehn war. Mehrere meiner kleinen Stücke sind gedruckt worden, aber würde ich je genug Gedichte schreiben, um ein ganzes Buch zu füllen?
    Als das Telefon ein zweites und ein drittes Mal läutete, blickte ich zu meiner kleinen Schwester, Varvara, die unruhig auf der anderen Hälfte des Bettes schlief, das wir teilten, ihren Kopf unter einem klumpigen Daunenpolster vergraben. Als das Telefon seinen schrillen Lärm fortsetzte, stieß ich meine Bücher beiseite und eilte in meinen Strümpfen aus einem kleinen Schlafzimmer auf den Flur. Wo war unser Dienstmädchen Dunja, und warum machte sie nicht auf? Viele Leute nahmen an, dass wegen unserer königlichen Verbindungen wir ein großartiges Leben führten, reich an materiellen Gütern und von hinten und vorne bedient wurden, aber das war nicht so. Unsere Wohnung im zweiten Stock in der Gorochawaja Straße 64, nur einen Block vom Fluss Fontanka entfernt, bestand zum Erstaunen vieler bloß aus fünf Zimmern - unserem Salon, dem Esszimmer, Papas Arbeitszimmer, seinem Schlafzimmer und Varvaras und meinem Zimmer - das war es neben dem Bad und der Küche. Und keines unserer Zimmer in diesem vierstöckigen Ziegelsteingebäude war großartig. Sogar unsere Nachbarn waren ziemlich gewöhnlich. Katja, die oben in Wohnung 31 wohnte, war eine Näherin. Es gab auch einen Angestellten und eine Art Masseuse, Utilia, die sich oft beklagte, dass Papa sie um Zuneigung belästigte.
    Als ich auf den Flur kam, wurde ich wie gewöhnlich von Musik und lauten Stimmen begrüßt. Papa liebte Zigeunermusik - besonders den Mazalski-Zigeunerchor, so lebhaft und voller Spaß, genau wie Papas Herz - aber heute Nacht hatte er einen einsamen Balalaika-Spieler im Salon. Von irgendwoher hörte ich das Lachen meines geselligen Vaters vor Entzücken ansteigen. Ich hörte auch das Kichern einer Frau - nein, ich erkannte Frauen - aber ich hatte keine Ahnung, wer sie waren. Jeder Tag schien Unmengen an verzweifelten Fremden in unser Heim zu bringen. Vom Morgen bis zum Abend gab es draußen vor unserer Tür und die zwei Treppenfluchten hinunter eine Schlange, eine Reihe von Fürsten und Armen, Bankiers und Bäcker, Anwälte und Fabrikarbeiter, die warteten, bis sie dran waren, Papa zu sehen und um seinen Einfluss zu bitten oder sich von ihm heilen zu lassen.
    Zu dem schwarzen Telefon an der Wand eilend, hob ich die schwere Hörmuschel ab, hielt sie an mein Ohr und sprach in das Mundstück. „Ja Vas sluschaiju.“ Ich höre Ihnen zu.
    „Das ist die Palast-Vermittlung. Einen Moment, bitte.“
    Mein Herz schlug sofort schneller. Trotz der späten Stunde nahm ich an, dass es die Kaiserin war. Im nächsten Augenblick jedoch klickte es und ich erkannte sofort die Stimme der einzigen engen Freundin der Kaiserin, die Person, die viele die zweitmächtigste Frau in Russland nennen.
    Mit dem leichten Lispeln sprechend, das sie immer klingen ließ, als ob sie einen Mundvoll Haferbrei hätte, äußerte Madame Wyrubowa den achtungsgebietendsten Satz in der Nation: „Ich rufe in dringender Angelegenheit aus dem Palast an.“
    Sie bat zu wissen, ob mein Vater zu Hause sei, und ich versicherte Anna Aleksandrowna, dass er es sei. Dann ließ ich die Ohrmuschel herab und ließ sie von ihrer langen Schnur hängen. Es war Glück, dass mein Vater tatsächlich hier war, dachte ich, als ich den Flur hinuntereilte, denn oft gegen Mitternacht ging er aus. Erst die Nacht zuvor hatte ihn Ehrenbürger Pestrikow zu Unmengen an Wein und Essen im Restaurant Villa Rode eingeladen; es war vier Uhr morgens, als Papa in die Wohnung stolperte und auf dem Sofa zusammenbrach, wo er bis zehn schlief. Die Nacht zuvor war er die ganze Nacht
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