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Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)

Titel: Rapunzel auf Rügen: Roman (German Edition)
Autoren: Emma Bieling
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hatte mehr Glück. Er war Neunundzwanzigster. Das wollte ich viel lieber sein, durfte es jedoch nicht. Gesine Klindworth hatte den letzten Platz in der Gruppe eigens für das Geburtstagskind reserviert. Zum Dreißigsten, versteht sich. Ha, ha, ha! Doofe Kuh! Ihre Sympathiepunkte jedenfalls hatte Gesine Klindworth damit bei mir verspielt.
    Ihr Mann Bjarne klatschte in die Hände. »So, nun sind wir vollzählig, also genau dreißig Personen, und ich würde sagen …« Er stockte und blickte sich um. Dann zeigte er zu einem der Fischerhäuser. »… wir beginnen dort oben, dort wo in DDR-Zeiten die Bildungsministerin Margot Honecker mit ihrem Mann residierte.«
    Wahrscheinlich hatten die mehr Glück – die Honeckers, dachte ich, und konnten sich splitterfasernackt ihren Gefühlen hingeben! Hatten die eigentlich Kinder? Wenn ja, dann waren die bestimmt auf dieser Insel entstanden, ohne Touristen die »Alles Gute zum Geburtstag« grölten.
    Eine Stunde später …
    In meinem Kopf drehte sich alles. Kein Wunder, wenn man anstatt Strandsex einen Crashkurs in DDR-Geschichte bekam. Ich mochte geschichtliche Ausflüge nicht sonderlich. Schon gar nicht an meinem Geburtstag. Gesine Klindworth erzählte munter weiter. Meine Güte, die muss doch schon Maden am Po haben, dachte ich bei mir. Ihr Schafspulli schien nicht gerade luftig zu sein und steckte bis an die Oberschenkel im Jute-Rock. Ökologisch hin oder her, eines wusste ich: Ich würde niemals der Umwelt zuliebe mein Haar verfilzen lassen, auf Deospray verzichten oder mich mit Jutefasern kleiden. Ich verstand sowieso nicht, weshalb manche für die Umwelt verwahrlosten. Was brachte das der Umwelt letztendlich? Wasserersparnis? Pestizidfreie Flüsse? Wohl eher sich schlapp lachende Milchkühe, weil die Bäuerin in einer Schafswollschürze zum Melken kam und zum Abendbrot die aussortierten Kuhfutterreste unters Tofu mischte. Die genaue Antwort hätte mir gewiss Gesine Klindworth aufs Brot schmieren können, wenn sie nicht vollends mit dem Urlaubsdomizil der ehemaligen Minister beschäftigt gewesen wäre. Alsmein Handy klingelte, war das wie eine Erlösung aus einer niemals endenden Geiselnahme. Hurra, ich hatte Kontakt mit der Außenwelt, auch wenn mich alle, Hendrik eingeschlossen, böse anschauten. Was? Durfte man auf der streng bewachten Bonzen-Insel weder poppen noch telefonieren?
    Ich ignorierte die Blicke und ging trotzdem dran. »Sarah, Gott sei Dank«, rief ich so laut, dass sich Gesine Klindworth erneut gestört fühlte und mitten im Text steckenblieb. Mit dem schlechten Gewissen einer Achtklässlerin, die gerade den Geschichtslehrer boykottiert hatte, ging ich ein paar Schritte abseits. »Hör auf zu singen«, flüsterte ich, so leise ich konnte, um die Zeit der Inselführung nicht unnötig zu verlängern.
    »Wo steckst du eigentlich?«, fragte sie.
    »Im Öko-Paradies.«
    »Wo?«
    »Erkläre ich dir später.«
    »Okay. Ortrud hat Theaterkarten besorgt. Ich soll dir sagen, ihr sollt pünktlich neunzehn Uhr in Putbus sein. Und mach dich schön, hörst du?«
    Als uns Hendrik zurückruderte, sprachen wir kein Wort miteinander. Ich glaube, er war leicht angesäuert wegen der verpatzten Geburtstagsüberraschung. Und das, obwohl ich ihm versicherte, dass die Idee mit dem Inselrundgang unheimlich süß von ihm gewesen war. Hendrik glaubte mir kein Wort. Stumm ruderte er Stück für Stück von der kleinen Insel weg, deren Schönheit nicht nur die Politikprominenz angezogen hatte. Um die 1800 sollen auch Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus mit ihren Skizzenblöcken auf Promi-Eiland unterwegs gewesen sein. Ja, ich hatte eben nicht nur gemurrt, sondern Gesine Klindworth auch zugehört. Ich blickte mich noch einmal um. Die über dreihundert Jahre alte Eiche, unter der wir gestandenhatten, verschwand nach und nach im urigen Wald der Insel. Übrig blieb eine Silhouette, wie sie nur Mutter Natur hervorbrachte. Ein Seeadler zog Luftkreise, um kurz darauf vor der Steilküste einen dicken Fisch aus dem Meer zu reißen. Eleganter konnte man nicht jagen. Ich sah dem Raubvogel ehrfürchtig hinterher, bis auch er im grünen Eiland verschwand. Mach’s gut Paradies!
    Wer denkt, dass Füchse listige kleine Säuger sind, irrt. Jedenfalls meiner war von listig weit entfernt. Knuffelbär hatte es sich im Korb von Füchschen gemütlich gemacht, direkt unterm Küchentisch, wo es die meisten Leckerlis gab. Füchschen versuchte es mit einem Verschwinde-aus-meinem-Korb-Blick, was den
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