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Ramses Mueller

Titel: Ramses Mueller
Autoren: Tex Rubinowitz
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Kastration erwartet), scheint es, als ob dieser Prozess der libidinösen Entwicklung in Schubal korrumpiert wurde: Da er niemals seine Angst überwunden hat, suhlt er sich nun im Sumpf seiner unterdrückten homosexuellen Aggression. Zärtlichkeit entgeht ihm: Intimität ist (für Schubal) nur möglich als ein Akt ungemilderter Verachtung. Er versucht zu dominieren, wenn er eigentlich lieben sollte. Indem er spastisch alle Kreativität auf seine eigene Impotenz richtet, projiziert er zwanghaft seinen eigenen Untergang, und so kann es weitergehen, Lydia, hat sie ja gerade erzählt, genitalverstümmelt letztlich von einer angeblichen Schauspielerin namens Anja Kruse, nie gehört den Allerweltsnamen, so heißt doch keine Schauspielerin, da ist doch gar kein Glamour drin, zu Hause mal googeln, wer sie ist, das Lachen der Hyäne, ihr Lachen, Blutige Smaragde , während sie ihre Tochter zwanzig Jahre in einen Keller sperrt, wie dieser Fall in Österreich, nein, nicht in den Keller, sondern in eine Art Schublade, wie sie sagt, sie hat Bindungsangst, weil sie ja selbst von ihrer Mutter an sich gebunden wurde, durch Verachtung, wenn Hass zum Klebstoff wird, Armin, der Arme, da sitzt er so, mit verschmiertem Gesicht, er findet das vielleicht witzig, grinst, auf diese Art will er die Gunst Huldas erwirken, wo soll ihn das hinführen? Der markerschütternde Schrei da in seiner Küche, an der Lampe baumelnd, von dem sie ihn wie schlechtes Obst pfl ückten. Und dann der ungewonnene Winterkrieg zwischen Leander und Christoph, der Stress der starren Fronten, des Aufl ösens dieses Knotens bereitet ihm, Barre, eine schöne Gänsehaut. Der Reiz der neuen Aufgaben. Packen wir’s an. Gibt es ein besseres Leben als das, was er jetzt gerade führt? Mit Sicherheit nicht, und doch ist es ihm unheimlich, auch hat er nicht den leisesten Schimmer, wie sein Stück aussehen soll, Trio mit 4 Fäusten , wie er vor allem Haußmann da reinpackt, die Melancholie vor der Abgabe, der Druck der Erwartungshaltung, man ist weich, so tolerant wie in Trance, »Ein Männlein steht im Walde« in einer Salsaversion? Warum nicht, alle Töne dieser Welt dürfen gleichberechtigt nebeneinanderstehen, so, wie sie hier in der Hundekehle nebeneinandersitzen, gleich geschwächt, gleiches Mitleid mit Lydia, es gibt keine Hierarchie mehr angesichts ihrer Tränen, ihres Leids, wer will sich da erheben? Über den nächsten?
    – Ich will nicht mehr klagen, was passiert ist, ist passiert, vielleicht hat mich meine Mutter nur stärken wollen, ich bin niemand, der die Schuld bei anderen sucht.
    Sie rollt mit dem Finger die Murmel, ganz ihren Gedanken nachhängend, so, wie sie in der Küche die Johannisbeere gerollt hat, voller Anmut, zart, dass sie nicht zerquetscht wird wie all die anderen Beeren auf dem Boden. Ihre Mutter, erzählt sie, hat sie zu Bild Online gebracht, nicht Spiegel Online , das war eine Lüge, in der Not des gestrigen Abends geboren, weil sie Bastian Sick verteidigen musste, sie kannte da jemanden, das war schön, man musste konzentriert arbeiten, ein Haus der Anarchie fast, alle duzen sich, am Wochenende ist sie nach Bad Salzuflen gefahren, den schweren Wäschesack geschultert, die Züge immer voller Soldaten, auch sie haben gelacht, mit der Bierdose in der Hand, sie wissen ja nicht, was sie tun, wo steht der Feind? Sie verlachen die blinde Passivität ihrer Ahnungslosigkeit. Ihr erster Freund war dann einer dieser Soldaten, er hat nie gelacht, mit ihr über Pablo Neruda geredet, der hat auch nur Fanta getrunken, Pablo Neruda, das bin also doch ich, denkt sich Armin, das ist das Buch, das er so lange mit sich herumschleppte und gestern bei Schlingensief abliefern musste, als wäre es ein Reifezeugnis, gibt’s denn nur dieses eine Buch auf der Welt? Armin war zwar nicht bei der Bundeswehr, untauglich, Senkfüße, später kamen sie dann drauf, dass er seine Senkfüße nur simuliert hat, dann musste er doch einrücken, allerdings Ersatzdienst, einen Simulanten wollten sie wohl nicht in ihren Reihen, dann schob er eben seinen Dienst als Tablettwäscher im Eisenbahnerwohlfahrtsheim, und das Buch, das der Soldat gelesen hat, bringt sie ihm jetzt noch ein Stück näher. Mit ihrem Freund von der Bundeswehr konnte sie reden, jeden Freitag, sie von Hamburg, er von Lüneburg, jeden Sonntag zurück von Bad Salzufl en, achtzehn Monate, aber es war nichts, es ergab sich nichts, es war nur Vertrauen da, das sie einte, in diesem Meer aus Häme und auf dem Boden
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