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Rampensau

Titel: Rampensau
Autoren: A Blum
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ihnen stand ein Auto mit laufendem Motor, und von diesem Blechding kam auch das nervtötende Geräusch. Töt-Töt-Töt  – ohne jedes Erbarmen, als gälte es, alle Lebewesen aus dem Wald zu vertreiben.
    »Wir müssen uns von hinten nähern«, zischte Lunke. Er lief nachts oft ins Dorf zu den Menschen, buddelte dort in den Vorgärten Blumenzwiebeln aus und glaubte daher, nun den Oberschlauen spielen zu müssen.
    Kim schob sich an ihm vorbei, endlich einmal wollte sie die Führung übernehmen, doch gleich war er wieder neben ihr.
    »Bist heute so schweigsam, Babe«, raunte er ihr zu und grinste.
    »Sei einfach still – Fritz«, raunte Kim zurück.
    Lunke verzog das Gesicht. Dass sie herausgefunden hatte, dass er eigentlich Fritz hieß und nicht Lunke – die Kurzform für Halunke – ärgerte ihn zutiefst.
    Das Töt-Töt war nun so laut, dass es in ihrem Kopf widerhallte. Lange war ein solcher Lärm nicht auszuhalten. Obwohl nur wenig Mondlicht in den Wald fiel, konnte man sehen, dass der Wagen sehr kantig und groß war – viel größer als das Kabriolett, das Dörthe besaß und in dem Kim schon einmal mitgefahren war, als man sie in eine Tierklinik verfrachtet hatte.
    Kim strich mit der Nase an einer langen Chromleiste entlang. Es roch merkwürdig nach … War das Blut? Ja, als sie einmal in dem Schlachthaus von Kaltmann, dem Dorfmetzger, gewesen war, hatte es ähnlich gerochen. Hinten leuchteten zwei rote runde Lichter, und aus einem Rohr wurde Dreck geblasen.
    Kim musste husten.
    »Still!«, zischte Lunke ihr zu, obwohl das Töt-Töt nicht aufgehört hatte. Nun wirkte auch er angespannt.
    Sie waren inzwischen einmal halb um den Wagen herum geschritten. Der Geruch von Blut wurde immer intensiver. Die beiden Scheinwerfer warfen zwei lange Lichtstreifen in den Wald, der in den kalten weißen Strahlen irgendwie bleich und krank aussah.
    Lunke stieß sie an. »Da ist es!«, flüsterte er.
    Kim hielt inne. Die eine Tür des Wagens stand offen – nun war zu erkennen, dass der Wagen eine Farbe wie Eigelb hatte. Außerdem fiel auf, dass die Glasscheibe in der Tür fehlte – nein, sie war kaputt, ein paar Glasscherben steckten noch in dem Rahmen.
    Das grauenhafte Töt-Töt überdeckte alles. Morgen würde sie furchtbare Kopfschmerzen haben. Migräne nannte Dörthe so etwas.
    »Lass uns wieder gehen!«, sagte Kim laut zu Lunke. »Ich halte diesen Krach nicht mehr aus.«
    »Das ist die Hupe«, flüsterte er und zog die Brauen in die Höhe, als wolle er auf eine Gefahr hinweisen. »Er liegt auf dem Lenkrad und rührt sich nicht mehr.«
    Er? Kim kniff die Augen zusammen. Sie hatte nicht aufmerksam genug hingeschaut. Lunke hatte recht – da war ein zusammengesunkener Schatten in dem Wagen.
    Kim machte vorsichtig zwei Schritte nach vorn. Sie konnte die Gefahr förmlich riechen, die aus dem Wagen stieg – Gefahr, Angst und … der Geruch von Blut kamen von dem Menschen, der hinter dem Lenkrad hockte.
    Noch zwei Schritte, dann konnte sie in das Innere blicken.
    Lunke war ganz nah neben ihr, er atmete in kleinen, kurzen Stößen. So angespannt hatte sie ihn noch nie erlebt.
    Kim sah zuerst schwarze Stiefel, dann eine blaue Jeans, wie Edy sie bei der Arbeit trug, danach ein schwarzes Hemd, das voller Blut war. Den Menschen hatte es an der Flanke übel erwischt. Sie hob ihren Rüssel und kniff die Augen zusammen. Ein Gesicht, noch nicht sehr alt, mit schwarzen Haaren und schwarzen Bartstoppeln lag auf dem Lenkrad. Die Augen des Mannes waren geschlossen, sein Mund war leicht geöffnet. Atmete er noch? Sosehr Kim sich anstrengte – sie konnte es nicht erkennen. Sie spürte, wie ihr übel wurde. So viel Blut hatte sie noch nie gerochen. Ihr drehte sich der Magen um.
    »Tot«, sagte Lunke tonlos und ohne jedes Mitleid. »Der kriegt nichts mehr hoch.« Er wollte wohl locker wirken, aber die Anspannung ließ seine Stimme ganz rau klingen.
    Im nächsten Moment öffnete der Tote die Augen. Kim wich zurück. Der Mann sah sie an, ohne sich zu rühren, kein Muskel in seinem Gesicht verzog sich. Ein winziges Licht blinkte in seinen Augen auf. Verdammt, kleines Schwein, die Welt ist böse – pass auf dich auf!, sagte dieses winzige, flackernde Licht. Dann erlosch es, und dem Mann fielen die Augen wieder zu.
    Lunke stieß sie an. »Was ist?«, fragte er heiser. »Kapierst du, was hier passiert ist?«
    Kim starrte den Mann an. Hatte sie sich getäuscht? Hatte er die Lider tatsächlich geöffnet, und war da ein winziges Lebenslicht
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