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Rampensau

Titel: Rampensau
Autoren: A Blum
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Cecile und Doktor Pik vorbei, um endlich sehen zu können, was die Schweine so in Bann hielt. Der alte Eber nickte ihr wortlos zu, während sie sich neben ihn schob, und deutete mit dem Kopf zum Tor hin.
    Jemand hatte ein Bündel Federn auf einen der Holzpfosten gelegt. Nein, Irrtum, ein Vogel lag da, ein mächtiger Schwan mit einer grau-weißen Brust, dessen Flügel in schwarzen Federn ausliefen.
    Unwillkürlich musste Kim an den toten Mann in dem Auto denken. Nun war es ein toter Schwan, der vor ihr lag, aber er sah nicht weniger furchterregend aus. Sein Hals hing verdreht herab, und seine winzigen schwarzen Augen starrten vor sich hin. Ein schrecklicher Schmerz war in ihnen festgefroren.
    »Ein Schwan«, piepste Cecile, die sich als Erste gefangen hatte, »hat wohl das Fliegen verlernt und ist vom Himmel gestürzt.«
    Brunst schnaubte verächtlich, anscheinend war er anderer Meinung als das Minischwein. Dann nahmen seine Kiefer ihre mahlenden Bewegungen wieder auf, und er wandte sich ab. »Muss auf den Schreck was fressen«, murmelte er vor sich hin und trabte davon.
    »Menschen«, sagte Che mit bitterer Stimme. »Menschen haben das getan – Menschen sind allesamt Mörder, sie haben es nicht nur auf uns abgesehen.«
    Kim nickte. »Abgestürzt ist der Schwan bestimmt nicht. Jemand hat ihn hier hingelegt, genau auf diesen Pfosten, damit man ihn vom Haus aus sehen kann.« Eine Warnung, wollte sie hinzufügen, tat es allerdings nicht – sonst hätte sie womöglich von dem Toten sprechen müssen, den sie in der Nacht gefunden hatte.
    Sie reckte ihren Rüssel vor und schnüffelte. Das Gefieder roch lediglich nach Wasser und Wind, jedoch nicht nach Blut. Der Vogel wirkte unverletzt in seinem schwarzen Gewand – wenn man von dem grausam verrenkten Hals absah. War ein Mensch stark genug, so einem stattlichen Tier den Hals umzudrehen? Unwillkürlich musste Kim schlucken.
    Che und Cecile scharrten mit den Klauen und drehten bei, um auf die Wiese zurückzulaufen.
    »Fliegen ist doch sehr gefährlich«, plapperte Cecile, die anscheinend immer noch nicht begriffen hatte, wie der Schwan gestorben war.
    »Der Kampf muss weitergehen«, rief Che vor sich hin, ohne auf das Minischwein zu achten.
    Kim spürte, dass Doktor Pik sie argwöhnisch musterte, während ihre Augen das Gefieder absuchten, ob sie nicht doch etwas Besonderes entdecken konnte. »Ich habe heute Morgen Sirenen gehört«, sagte er leise. »Aus dem Wald – ist im Wald etwas vorgefallen?«
    Gerade als Kim mit einem leisen »Nein« antworten wollte, wurde die Eingangstür geöffnet, und Dörthe trat hinaus. Sie hatte ihr langes rotes Haar hochgebunden und trug eine weite blaue Hose und ein weißes T-Shirt. Kim musste zugeben, dass sie nach menschlichen Maßstäben wirklich gut aussah.
    Dörthe machte Anstalten, zu ihrem gelben Kabrio hinüberzulaufen, doch unvermittelt verharrte sie und blickte Kim und Doktor Pik an. Ihre linke Hand vollführte eine langsame Bewegung zum vor Schreck aufgerissenen Mund. Dann lief sie so schnell zum Holzzaun herüber, dass sich ihr Haar löste und ihr über die schmalen Schultern fiel.
    »O Gott – wie furchtbar!«, stieß sie hervor. »Was soll das? Wer tut so etwas?«
    Ein Muskel an ihrem Hals zuckte, und dann rollten Tränen über ihre Wangen.
    »Carlo!«, rief sie und wandte sich panisch um. »Carlo, komm her, und sieh dir das an!«
    Es dauerte ein paar Momente, bis der Mann in der offenen Eingangstür erschien. Er trug ein knappes weißes Hemd und eine kurze schwarze Hose. Seine Füße waren nackt, und er wirkte mürrisch und verschlafen. Klar, dachte Kim, er hat heute Nacht ja einen längeren Spaziergang unternommen.
    Wortlos schlurfte er heran und strich sich dabei durch sein zerzaustes, schwarzes Haar.
    Kim konnte ihn zum ersten Mal aus der Nähe betrachten. Er war ungefähr so alt wie Dörthe, seine Augen waren braun, und Bartstoppeln glänzten auf seinen Wangen. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, während er den Schwan betrachtete.
    »Na, das ist ja eine hübsche Überraschung!«, sagte er und strich dem Vogel über das Gefieder.
    »Wieso liegt ein toter Schwan hier?«, fragte Dörthe mit schriller Stimme und zudem ein wenig vorwurfsvoll. »Kannst du mir das sagen?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte er und grinste wieder. Dabei verzog sich sein Mund, dass auf der einen Seite eine tiefe Falte entstand.
    Kim beschloss, dass sie ihn nicht mochte – er kam sich toll und stark und klug vor, genau so ein Mann war dieser
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