Rage Zorn
Ãbertragung gestört hatte. Alle Kommunikationsmöglichkeiten waren unterbunden worden, und zwar von dem Mann, der Janey ermordet und der eben angekündigt hatte, auch sie umzubringen.
Valentino.
Ihr Atem ging so schwer, dass sie nichts anderes mehr hörte. Sie hielt kurz die Luft an, um zu lauschen. Dann schlich sie zur offenen Bürotür, blieb aber an der Schwelle stehen. Der Gang lag wie immer im Halbdunkel. Heute vermittelte die vertraute Dunkelheit kein Gefühl der Sicherheit und keinen Trost. Sie wirkte düster, vielleicht auch, weil das ganze Gebäude in Grabesstille lag.
Wo war Stan? War ihm nicht aufgefallen, dass sie nicht mehr sendeten? Falls er schon im Studio nachgesehen und bemerkt hatte, dass sie nicht mehr an ihrem Platz saÃ, hätte er doch durchs Gebäude laufen und nach ihr rufen müssen, um zu erfahren, was vorgefallen war?
Aber ehe ihr Gehirn die Frage richtig formuliert hatte, wusste es bereits die Antwort: Stan konnte aus irgendeinem Grund nicht kommen und nach ihr sehen.
Valentino hatte ihn zum Schweigen gebracht, eventuell noch ehe er sie angerufen hatte. Vielleicht war er schon länger im Gebäude, als sie es, eingeschlossen in ihrem schalldichten Studio, geahnt hatte.
Wie war Valentino an Griggs und Carson vorbeigekommen? Wie war er danach ins Gebäude gelangt? Von beiden Seiten brauchte man einen Schlüssel, um die Türen zu öffnen. Hatte er Stan überredet, ihm aufzumachen? Aber wie?
Fragen, auf die sie keine Antwort wusste.
Sie war versucht, die Bürotür zuzuknallen, sich einzuschlieÃen und abzuwarten, bis Hilfe eintraf. Schon jetzt würden sich die Zuhörer im Land fragen, wieso der Sender so unvermittelt verstummt war. Vielleicht hatte Dean es schon mitbekommen. Sergeant Curtis. Schon bald würde Rettung kommen.
Aber bis dahin konnte sie sich keinesfalls hier drin versteckt halten. Vielleicht waren Griggs und Carson ja verletzt worden. Und Stan.
Sie trat in den Gang. Den Rücken an die Wand gepresst, damit sie in beide Richtungen freie Sicht hatte, schob sie sich Schritt für Schritt zum Eingangsbereich vor. Im Vorbeigehen knipste sie jedes Licht in Reichweite aus. Einen Vorteil hatte sie gegenüber Valentino: Sie kannte sich im Gebäude aus. Sie war es gewohnt, sich im Halbdunkel in den Gängen zu orientieren.
Schnell, aber gleichzeitig so leise und vorsichtig wie möglich arbeitete sie sich dem Eingang entgegen. Bei jedem Quergang erfüllte sie die Angst vor dem, was sie hinter der Ecke erwarten mochte, aber als sie um die letzte Ecke bog, lag der letzte Abschnitt zwischen ihr und der hell erleuchteten Eingangshalle menschenleer vor ihr. Sie rannte los und quer durch die Lobby, um sich gegen die Tür zu werfen und gegen das Glas zu donnern, damit die Polizisten, die sie bewachten, auf sie aufmerksam wurden.
Aber der Streifenwagen war verschwunden, und die Eingangstür war verrammelt.
Mit einem leisen Aufschrei wich sie zurück, bis sie mit dem
Rücken gegen die Empfangstheke stieÃ. Sie lehnte sich dagegen, um neue Kraft zu schöpfen und um zu entscheiden, was sie jetzt tun sollte.
Plötzlich umklammerte etwas ihr FuÃgelenk. Sie schrie auf.
Sie sah nach unten und erblickte eine Männerhand, die unter der Theke hervorkam. Ehe sie auch nur versuchen konnte, sich aus dem Griff zu befreien, erschlafften die Finger, und die Hand fiel leblos auf den schmierigen Teppichboden.
Ãber die eigenen FüÃe stolpernd, umrundete sie die Theke und erstarrte, als sie erkannte, wer da mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag. Sie ging auf die Knie, packte den Mann an der Schulter und drehte ihn auf den Rücken.
John Rondeau stöhnte. Seine Lider flatterten, gingen aber nicht auf. Aus der Wunde in seinem Kopf floss Blut.
Sie empfand tiefe Erleichterung, als sie seinen Namen flüsterte. »John. Bitte wachen Sie auf. Bitte!« Sie schlug ihm kräftig auf die Wange, aber er stöhnte nur wieder auf und lieà den Kopf zur Seite fallen. Er war bewusstlos.
Knapp neben seiner ausgestreckten Hand lag ein amtlich aussehender Ordner. Sie las den getippten Namen auf dem Rücken: Stanley Crenshaw.
Ihr Magen sackte ins Bodenlose. »O Gott.«
Stan? Es war tatsächlich von Anfang an Stan gewesen?
Warum nicht?, überlegte sie. Sein dilettantisches Verhalten war unter Umständen nur eine exzellente Maskerade. Er hatte Zeit und Gelegenheit gehabt, die Verbrechen zu
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