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Radikal führen

Radikal führen

Titel: Radikal führen
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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zu verstehen.

Gehen Sie aus dem Weg!
Führung zur Selbstführung
    Unsere Wurzel-Frage lautet: Warum gibt es Führung? Eine Antwort im Sinne der ersten Kernaufgabe: Weil Menschen oft nicht gut zusammenarbeiten, Nabelschau betreiben, sich nicht einigen können, in Routinen versinken, Orientierung brauchen. Führung ist mithin ein Parasit mangelnder Kooperation. Eine Erscheinung, die von der Schwäche anderer lebt. Wenn man sieht, wie reflexhaft Manager kurz nach der Landung des Flugzeugs ihre Handys einschalten, dann ist das nicht nur das allseits bekannte Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, sondern auch die Illustration dieses Zusammenhangs. Was aber würde passieren, wenn es sie – Sie! – nicht gäbe?
    Es gab eine Zeit, da das Wünschen noch geholfen hat. Wäre es nicht anzustreben, dass die Menschen selbst wissen, was zu tun ist? Wäre es nicht zu wünschen, dass die Mitarbeiter nicht nur ihre Hände, sondern auch ihre Köpfe und Herzen für das Überleben des Unternehmens einsetzen? Wäre es nicht wunderbar, wenn Ihre Mitarbeiter sich über das Schicksal des Unternehmens Gedanken machten und nicht allein über ihren eigenen Job oder die nächste Beförderung? Wenn sie Abläufe verbesserten auch jenseits ihrer Stellenbeschreibung? Innovationen vorantrieben, ohne auf Ihre Anweisung zu warten? Wäre es nicht großartig, alle Mitarbeiter beim Kunden zu wissen – und nicht in der Zentrale? Wäre es nicht hilfreich, in Ihren Beschäftigten eigenverantwortliche Profis zu haben, die neue Ideen entwickeln und ihre Aktivitäten koordinieren und integrieren? Kurz:
    Wäre es nicht prima, man könnte die Kosten für das Management sparen?
    Immer mal wieder werden Beispiele für Unternehmen ohne Führung (oder jedenfalls ohne fixe oder dominante Führung) beschrieben. Da gibt es den amerikanische Lebensmittelkonzern Morning Star oder das Orpheus Chamber Orchestra. Da gibt es die vielen Beispiele von eigenwilligen Mitarbeitern, die die Hierarchie unterlaufen: die Post-It-Notizen von 3M als klassischer Fall, oder auch die brasilianischen Manager von Procter & Gamble, die kostengünstigere Alternativen zu ihren eigenen Premiumprodukten herstellten, um das Leben ihrer Landsleute zu verbessern. Aber diese Beispiele haben Exoten-Status. Man betrachtet sie staunend, leicht amüsiert, hält sie aber für unbrauchbar im eigenen Unternehmen. Gut so! Sie müssen ohnehin Ihren eigenen Weg gehen. Aber selbst wenn Sie diesen Zustand für utopisch halten – wäre es nicht wenigstens wünschenswert, sich mit Ihrem Unternehmen in diese Richtung zu bewegen? Und wenn ja – was können Sie dafür tun?
    Dazu müssen Sie zunächst Ihr Menschenbild hinterfragen. Wie schauen Sie den Mitarbeiter an? Ist er ein Mittel zu Ihrem Zweck – oder ist er (auch) Selbstzweck? Ist er auf der Welt, um hinter Ihrem Ziel herzurennen – oder sind seine Ziele mit den Ihren zu vermitteln? Sprechen Sie zwar vom »Mit-Unternehmer«, pflegen jedoch weiterhin innerlich das Bild vom »Untergebenen«? Ist er ein defizitäres Mängelwesen – oder verfügt er über eigene Ressourcen der Problemlösung? Ist er ein zu erziehendes Kind – oder ist er ein Erwachsener, dem Sie auch Erwachsensein zumuten müssen? Ist er ein Mensch, dem Sie zunächst einmal vertrauen (bis zum möglichen Beweis des Gegenteils) – oder begegnen Sie ihm von vornherein mit Misstrauen (bis zum unwahrscheinlichen Beweis des Gegenteils)? Noch einmal: Welches Menschenbild haben Sie?
    Daran schließt sich die Frage: Wie schauen Sie auf sich selbst? Inszenieren Sie Ihre Unersetzlichkeit als letztes Bollwerk Ihrer
    Würde? Gehören Sie zu den selbstdarstellerischen Gesinnungsathleten, die ihre Interessen ideologisieren und als »Notwendigkeit« ausgeben? Ist Macht über Menschen Ihre Sehnsucht? Ist Ihre Aufgabe mit Blick auf den Mitarbeiter die Selbstoptimierung oder die Fremdoptimierung? Sind Ihre Mitarbeiter für Sie da, oder sind – umgekehrt – Sie für die Mitarbeiter da? Ihre Leistung zu steigern, ihre Potenziale freizusetzen, sie fürs Mitmachen zu gewinnen?
    Wenn »Mitarbeiter führen« bedeutet, die Leistung anderer zu ermöglichen, dann zielt das immer auf unternehmerisches, selbstverantwortliches Handeln. Dann werden Sie alles unterlassen, was die freiwillige Übernahme von Verantwortung behindert. Wenn Mitarbeiter erst fragen müssen, ob sie etwas verändern dürfen, wird nichts passieren. Wer einen Job zu erledigen hat, der sollte nicht erst von seinem Chef dazu »empowered«
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