Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
sie mir zum viertenmal an den Kopf – und nichts sehen! Straßenlaternen gab es noch nicht, und als ungeübte Einfamilienhausbewohner hatten wir natürlich vergessen, eine Lampe für die Außenbeleuchtung zu kaufen. Für derartige Dinge war bisher immer der jeweilige Hauswirt zuständig gewesen.
    »Könn’ wa?« Vor mir stand Herr Obermüller, in einen dunklen Trainingsanzug gehüllt und erstaunlich nüchtern. An seiner linken Armprothese hing ein Schlüsselbund, in der rechten Hand hielt er eine Taschenlampe. »Jetzt is nämlich der jünstigste Zeitpunkt!«
    »Wofür denn bloß?« Rolf war aus dem Wohnzimmer gekommen. Erstaunt musterte er unseren Nachbarn. »Wollen Sie einbrechen gehen?«
    »Det is nich die richtige Formulierung. Wenn ick mit ‘nem regulären Schlüssel die Tür uffschließe, breche ick nich ein. Ick bin ja dazu befugt. Aba wat wir denn vorhaben, liegt vielleicht doch’n bißchen außerhalb von die Legalität.«
    »Können Sie nicht deutlicher werden?« Ich war müde und wollte ins Bett. Nächtliche Exkursionen, zu welchen Zwecken auch immer, waren das letzte, wofür ich mich jetzt begeistern konnte.
    Obermüller kam ins Haus und schloß die Tür hinter sich. »Ick hab’ heute früh bei meinem letzten Rundgang hier festjestellt, det außer der Klotür noch’n paar andere Sachen fehlen. Der Badewannenstöpsel zum Beispiel und die beeden Schiebetüren von det Spülbecken in der Küche. Vermissen Se sonst noch wat?«
    »Ja, einiges. Wir haben bloß drei Zimmerschlüssel, im Bad fehlt der Kopf von der Dusche, im Arbeitszimmer läßt sich der eine Fensterflügel nicht schließen, und im Keller stimmt auch manches nicht. Ich habe alles aufgeschrieben, damit mein Mann morgen früh gleich die Baufirma anrufen kann.«
    Obermüller grinste. »Anrufen kann er ja, aber deshalb passiert jarnischt. Ick hab drei Wochen uff Steckdosen jewartet und die Dinger immer wieder reklamiert, bis ick denn zur Selbsthilfe jejriffen habe. Und det machen wir jetzt ooch! Wir jehn die janzen unbewohnten Häuser ab und holen uns allet zusammen, wat Se brauchen. Nach welchen Jesichtspunkten die Baujesellschaft ihre Häuser zusammenjekloppt hat, weeß ick nich, aber keens is komplett. Bloß fehlt überall wat anderet. In eenem Haus sind die Installationen in Ordnung, dafür jibts keene Türklinken. Woanders wieder fehlt noch det Treppenjeländer, und in Nummer acht haben se die Balkontür verjessen. Dreißig verschiedene Handwerker, und det Janze nennt sich denn Teamwork. Jeder macht, wat er will, und keener det, wat er soll!«
    Rolf protestierte: »Wir können doch nicht einfach die anderen Häuser ausräumen. Die sind doch teilweise schon verkauft!«
    »Aba noch nich bewohnt, und darauf kommt’s an. Den letzten beißen eben die Hunde. Soll der sich doch mit die Bauheinis rumschlagen. Wenn Se allerdings Manschetten hab’n, denn reklamieren Se ruhig. Ick kann Ihnen bloß aus eigener Erfahrung sagen, det Se denn noch zu Weihnachten ohne Klotür dasitzen. Ick weeß sowieso nich, ob wir ‘ne passende finden. Die Auswahl is ja nich mehr so jroß wie damals, als wir einjezogen sind. Am besten fangen wir im Nebenhaus an!« Obermüller strebte wieder zur Haustür, drehte sich dann aber noch mal um. »Wo is’n Herr Böttcher? Zu dritt jeht’s nämlich schneller!«
    »Herr Böttcher schläft schon. Meinen Sie denn nicht, daß wir es auch allein schaffen?« Rolf hatte sich einen dunklen Pullover übergezogen und wippte unternehmungslustig auf den Schuhspitzen. Ihm schien die Sache langsam Spaß zu machen.
    »Ich schlafe überhaupt nicht, weil man bei dem Krach gar nicht schlafen kann!« Felix äugte über das Geländer, entdeckte unseren Besucher und kam die Treppe herab. »Haste Nachschub geholt?«
    »Jetzt wird nich jesoffen, jetzt wird jearbeitet!«
    »Mitten in der Nacht? Ihr spinnt doch! Arbeit ist eines der größten Dinge auf der Welt, und deshalb sollten wir uns etwas davon für morgen aufheben.«
    Als er allerdings erfuhr, um welche Art von Arbeit es sich handelte, war er Feuer und Flamme. »Außer zwei Aschenbechern und ein paar Kleiderbügeln habe ich noch nie was Richtiges geklaut. Habt ihr denn Dietriche?«
    Rolf schüttelte den Kopf. »So was benutzen bloß Amateure. Wir haben richtige Schlüssel. Und jetzt komm endlich, du Rififi-Verschnitt!«
    Die drei zogen los. Als erster tauchte Felix wieder auf, unterm Arm vier Schiebetüren für die Küchenspüle. Eine paßte. »Wenigstens etwas!« meinte er befriedigt, bevor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher