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Rachel

Rachel

Titel: Rachel
Autoren: Linda Lael Miller
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Gefühl hatte, die McCaffreys schon seit einer Ewigkeit zu kennen. Allerdings kam es ihr seltsam vor, dass ihre Freundin mit keinem Wort Trey Hargreaves erwähnt hatte, weder positiv noch negativ. Andererseits war Evangeline keine Klatschbase - auch wenn sie zugab, dass sie es genoss, bei ihren Tee-Gesellschaften die neuesten Skandale zu hören. Aber Evangeline glaubte fest an das Gute im Menschen und sie verurteilte niemanden, bevor seine Schuld nicht eindeutig bewiesen war. Das war eine der großen Charakterstärken von Evangeline Wainwright und Rachel wünschte sich manchmal, dass sie selbst anderen Menschen gegenüber nur halb so nachsichtig wäre.
    »Sie haben eine lange Reise hinter sich«, sagte Jacob. »Sie sollten sich ausruhen, solange Sie noch Zeit dazu haben. Am Anfang werden Sie zwar nicht allzu viele Schüler haben - etwa ein Dutzend Kinder von den Farmen und Ranchen, die nahe genug bei Springwater liegen, sodass die Kinder den Schulweg bewältigen können - aber Sie werden doch alle Hände voll zu tun haben.«
    Rachel hätte den älteren Mann gerne über Mr. Hargreaves ausgefragt, wo er herkam, was für eine Mensch er war, woher die Narbe in seinem Gesicht stammte und hunderte andere Dinge mehr, aber sie wusste natürlich, dass solche Fragen nicht schicklich waren und deshalb unterdrückte sie sie. Sie würde Evangeline bitten ihre Neugier zu stillen.
    Nachdem er ihr das Essen serviert und den schlichten Rat gegeben hatte, verließ Jacob das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Rachel verschlang das wunderbare Essen geradezu - Junes Ruf, eine ausgezeichnete Köchin zu sein, erwies sich als nur allzu berechtigt - und betrachtete dabei ausführlich ihr Zimmer. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr - fast seit zehn Jahren - arbeitete Rachel nun schon als Lehrerin, aber erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie während dieser Zeit schon bei vielen Familien zur Untermiete gewohnt hatte. Sie hatte dabei die unterschiedlichsten Menschen kennen gelernt. So klein dieses Zimmer auch war, sie war noch nie in einem besseren untergebracht gewesen. Die Wände bestanden aus dicken Holzbohlen und es gab einen inneren Fensterladen als Sichtschutz von außen. Die Matratze fühlte sich an, als sei sie mit Federn gestopft und nicht mit Stroh, der Fußboden bestand aus ebenmäßigen Planken, die so exakt verlegt waren, dass sich kein Staub zwischen die Ritzen setzen konnte. Es waren weder Mauselöcher zu sehen noch Spinnweben. Das Bettzeug roch nach Seife und Frühlingssonne, ein sicheres Zeichen dafür, dass die Laken frisch gewaschen waren.
    Wenn während der Reise die Kutschen manchmal einen Nachtstopp eingelegt hatten, hatte Rachel diese Nächte immer aufrecht sitzend, wach, im Speisesaal der jeweiligen Station verbracht, obwohl es Schlafräume mit Betten gab, die sich je zwei Frauen oder zwei Männern geteilt hatten, unabhängig davon, ob sie einander kannten oder nicht. Von Hygiene konnte keine Rede sein, denn die Bettwäsche wurde nur selten gewechselt. Unter solchen Umständen gab es natürlich auch keine Ruhe und kein Ungestörtsein. Jedenfalls war Rachel nicht willens gewesen, in Anwesenheit von Fremden die Augen zu schließen und zu schlafen. Deshalb war es nur allzu verständlich, dass sie jetzt erschöpft und müde war.
    Sie aß, so viel sie konnte, und trug dann das Tablett mit dem Geschirr in die Küche, wo June damit beschäftigt war, in mehreren Kesseln Wasser zu erhitzen. Sie lächelte und war zufrieden, dass Rachel so gut gegessen hatte.
    »Gehen Sie in Ihr Zimmer zurück und legen Sie die Beine hoch«, sagte Mrs. McCaffrey. »Jacob wird gleich eine Badewanne bringen und dann komme ich mit dem heißen Wasser.«
    Wieder empfand Rachel so ein starkes Gefühl der Dankbarkeit, dass sie am liebsten die ältere Frau umarmt und sich an ihrer Schulter ausgeweint hätte. »Danke, Mrs. McCaffrey«, sagte sie mit all der Würde, die sie noch aufbringen konnte. Schließlich war sie eine erwachsene Frau und durfte sich nicht derart von ihren Gefühlen leiten lassen, ob sie nun übermüdet war oder nicht.
    Eine Stunde später stieg Rachel aus der Badewanne. Sie war sauber und roch nach Seife, die den Duft von Rosen hatte. Diese Seife hatte sie gekauft, bevor sie Pennsylvania verlassen hatte. Rachel glaubte fest an die positiven Kräfte von parfümierten Seifen. Das hatte ihr auch Evangeline bestätigt, der sie ein großes Stück Duftseife zum Abschied geschenkt und die ihr beteuert hatte, wie viel ihr dieser Duft hier
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