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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Autoren: Marian Keyes
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beseelt vom Geist der Versöhnung und des ausgestreckten Olivenzweigs. Ich vermutete stark, dass die letzte Einstellung in diesem Film uns nicht zeigen würde, wie wir langsam, uns an den Händen haltend, in die Ferne entschwanden und dabei The War is Over oder Ebony and Ivory singen würden, oder irgendeinen anderen schmalzigen Song über das Ende eines Konflikts.
    Meine Enttäuschung war riesig. Ich fand sogar, dass er ein bisschen dreist war, bis mir wieder einfiel, wie gemein ich ihn behandelt hatte. Wenn er mir noch böse war, hatte er alles Recht dazu.
    Aber er hatte immerhin zugesagt , sich mit mir zu treffen. Vielleicht waren ihm noch ein paar schreckliche Dinge eingefallen, die er damals in Cloisters vergessen hatte zu sagen, dachte ich und war zutiefst deprimiert.

73
    E s war kein Rendezvous im üblichen Sinne. Nie hatte ich eine Verabredung gehabt, die weniger ein Rendezvous im üblichen Sinne war als diese. Und sie als solche zu betrachten, würde seine Gefühle und meine Reife entwerten.
    Dennoch verbrachte ich Stunden damit, mich zurechtzumachen. Stunden!
    Sollte ich versuchen, attraktiv oder reif und rehabilitiert auszusehen?, fragte ich mich. Sollte ich versuchen, ihn für mich einzunehmen, indem ich meine Reize ausspielte, oder sollte ich mich wie eine Erwachsene benehmen und ihm zeigen, dass ich jetzt ein anderer Mensch war? Ich entschied mich für die ernste, nüchterne Variante, band mir die Haare im Nacken zusammen, klemmte mir ein Buch über Sucht unter den Arm und überlegte, ob Mikey-Lou mir ihre Brille leihen würde.
    Sie weigerte sich, also musste ich es mit der Früherwarst-du-scharf-auf-mich-Version versuchen. Ich gab mir alle Mühe, mich – auf die Schnelle – verführerisch zu präsentieren.
    Aber ich hatte kaum etwas anzuziehen. Anderthalb Jahre am Existenzminimum hatten dafür gesorgt. Ich konnte also nicht alles Mögliche anprobieren und es mir dann wieder vom Leibe reißen. Hatte nichts, was ich auf den Boden werfen konnte, während ich das nächste Stück aus dem Schrank holte.
    Verdammt dazu, meinen langen Jeansrock und ein kurzes T-Shirt zu tragen, ärgerte und schämte ich mich. Ich wollte etwas Aufsehenerregendes anziehen. Bis mir klar wurde, dass ich inzwischen so war: schlicht, ungekünstelt, ohne mich zu verstecken. (Außerdem schlecht gekleidet.)
    Aber ich trug tonnenweise Make-up auf. Ich steckte mir die Haare hoch, dann nahm ich sie wieder herunter, ich steckte sie wieder hoch, nahm sie herunter. Schließlich steckte ich sie hoch und beschloss, sie so zu lassen.
    Bevor ich ging, nahm ich sie wieder herunter.
    »Du siehst toll aus!«, brüllte Brad mir hinterher, als ich ging.
    »Danke«, sagte ich nervös. Ich wusste nicht, ob ich mich geschmeichelt fühlen sollte.
    Ich gab mir Mühe, nicht zu spät zu kommen. Es war sehr schwer, kein Spielchen daraus zu machen, aber ich zwang mich dazu. Es passte nicht. Als ich im Café Nero ankam, war er nirgendwo zu sehen. Natürlich stellte ich mir sofort vor, dass er es sich anders überlegt hatte. Ich wollte gehen.
    Dann blieb ich stehen, zwang mich, Platz zu nehmen, und bestellte etwas zu trinken. Zehn Minuten , schwor ich mir, länger bleibe ich nicht .
    Ich durchlitt Höllenqualen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, immer wieder sah ich zur Tür hin und hoffte, dass er kommen würde. Nachdem ungefähr zwanzig Leute durch die Tür gekommen waren, von denen keiner Luke war, beschloss ich zu gehen. Ich suchte in meiner Handtasche nach meinem Portemonnaie und wollte für mein Mineralwasser bezahlen ...
    Und dann war er da. Er kam durch die Tür. Er wurde von dem Kellner begrüßt. Der sagte ihm, wo ich saß. Er sah zu mir herüber.
    Es war ein unglaublicher Schock, ihn vor mir zu sehen. Er war größer und kräftiger, als ich ihn in Erinnerung hatte. Erwachsener. Er trug immer noch Lederjeans und hatte langes Haar, aber sein Gesicht war verändert. Es war das Gesicht eines Erwachsenen.
    Als er durch das Café auf mich zukam, versuchte ich zu erkennen, was in ihm vorging, aber sein Gesicht war verschlossen. Er trat an meinen Tisch, es gab keine überschwängliche Begrüßung, keine Umarmungen und Küsse. Er sagte nur knapp: »Rachel, wie geht es?« Dann setzte er sich auf den Stuhl mir gegenüber und gewährte mir eine köstliche Sekunde oder zwei auf Augenhöhe mit seinem ledernen Schritt, bevor der unter dem Tisch verschwand.
    Ich verstand nicht, wieso ich je gedacht hatte, dass er lächerlich aussah. Er war ein schöner
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