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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen
Autoren: Joe Abercrombie
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kniff die Augen schützend vor dem scharfen Wind zusammen und strich sich ein paar widerspenstige Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Ich werde es nie müde, diese Aussicht zu betrachten.«
    »Wie könnte man auch? Deswegen habe ich diesen verdammten Bau ja an dieser Stelle errichten lassen. Hier kann ich immer ein Auge auf meine Untertanen haben, so wie ein aufmerksamer Vater seine Kinder beobachtet. Nur um sicherzugehen, dass sie sich beim Spiel nicht verletzen, natürlich.«
    »Ihr Volk kann sich glücklich schätzen, einen so gerechten und fürsorglichen Vater zu haben«, log Monza glatt.
    »Gerecht und fürsorglich.« Orso sah gedankenverloren zum weit entfernten Meer. »Denken Sie, dass ich so in die Geschichte eingehen werde?«
    Monza hielt das für ausgesprochen unwahrscheinlich. »Wie hat Bialoveld gesagt? ›Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben.‹«
    Der Herzog drückte wieder ihre Schulter. »Und dann ist sie auch noch so belesen. Ario ist nun wirklich ehrgeizig, aber er hat keinen Durchblick. Ich wäre überrascht, wenn er in der Lage wäre, ein Straßenschild in einem Rutsch zu lesen. Er interessiert sich nur für Huren. Und für Schuhe. Meine Tochter Terez heult währenddessen fürchterlich, weil ich sie mit einem König verheiratet habe. Ich möchte wetten, hätte ich den großen Euz als ihren zukünftigen Gatten erwählt, dann hätte sie nach einem Ehemann gejammert, der ihrem Rang noch besser gerecht wird.« Er seufzte schwer. »Keines meiner Kinder versteht mich. Mein Urgroßvater war ein Söldner, müssen Sie wissen. Ein Umstand, den ich nicht unbedingt an die große Glocke hängen will.« Dennoch erzählte er ihr das jedes Mal, wenn sie sich trafen. »Ein Mann, der in seinem Leben keine einzige Träne vergoss und an seinen Füßen das trug, was gerade zur Hand war. Ein Kämpfer niederer Geburt, der die Macht über Talins durch seinen scharfen Verstand und sein scharfes Schwert erlangte.« Mehr noch durch äußerste Unbarmherzigkeit und Brutalität, jedenfalls laut der Version der Geschichte, die Monza gehört hatte. »Wir sind aus demselben Holz, Sie und ich. Wir haben uns selbst zu dem gemacht, was wir sind, aus dem Nichts.«
    Orso war in das reichste Herzogtum Styriens hineingeboren worden und hatte in seinem Leben keinen einzigen Tag lang hart arbeiten müssen, aber Monza hielt ihre Zunge im Zaum. »Das ist zu viel der Ehre, Euer Exzellenz.«
    »Weniger, als Sie verdienen. Nun erzählen Sie mir von Borletta.«
    »Sie haben von der Schlacht am Hohen Ufer gehört?«
    »Ich erfuhr, dass es Ihnen gelang, das Heer des Achterbundes zu zerschlagen, ebenso wie bei Föhrengrund! Ganmark sagt, dass Herzog Salier über dreimal so viele Truppen verfügte wie Sie.«
    »Zahlen können durchaus hinderlich sein, wenn sie faul und schlecht ausgebildet sind und von Idioten angeführt werden. Ein Heer von Bauern aus Borletta, Schustern aus Affoia, Glasbläsern aus Visserine. Sie lagerten am Fluss, dachten, wir seien noch weit weg, und stellten kaum Wachen auf. Wir marschierten über Nacht durch die Wälder und überrumpelten sie bei Sonnenaufgang, als sie noch nicht einmal ihre Rüstungen angelegt hatten.«
    »Ich kann mir vorstellen, wie Salier, das fette Schwein, sich schwabbelnd von seinem Bett erhob, um zu flüchten!«
    »Der Getreue führte den Angriff. Wir brachen ihren Widerstand schnell und sicherten uns ihre Vorräte.«
    »Die goldenen Kornfelder färbten sich rot, sagte man mir.«
    »Sie haben kaum gekämpft. Es ertranken zehnmal mehr Männer bei dem Versuch, schwimmend über den Fluss zu flüchten, als in der Schlacht. Mehr als viertausend Gefangene. Einige Lösegelder wurden gezahlt, andere nicht, und einige Männer wurden gehängt.«
    »Und ein paar Tränen vergossen, was, Monza?«
    »Nicht von mir. Wenn ihnen das Leben so viel wert war, dann hätten sie sich ergeben sollen.«
    »So wie in Caprile?«
    Sie sah unverwandt in Orsos schwarze Augen. »So wie in Caprile.«
    »Borletta wird demnach belagert?«
    »Die Stadt ist schon gefallen.«
    Das Gesicht des Herzogs leuchtete auf wie das eines Jungen an seinem Geburtstag. »Gefallen? Cantain hat sich ergeben?«
    »Als seine Leute von Saliers Niederlage hörten, verloren sie die Hoffnung.«
    »Und Leute ohne Hoffnung sind gefährlich, selbst in einer Republik.«
    »Gerade in einer Republik. Der Pöbel zerrte Cantain aus seinem Palast, knüpfte ihn am höchsten Turm auf, öffnete die Stadttore und ergab sich der Gnade der Tausend Klingen.«
    »Ha!
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