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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman
Autoren: Heyne
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krampfhaft, nicht auf die Gläser zu blicken, wurde jedoch immer wieder von ihnen angezogen. Dann ging das
Licht aus, und die Dunkelheit war ein Segen, bis ich in meinem blinden Lauf die Stimme von Shearman Waxx hörte. Ganz in der Nähe sagte sie: »Verdammnis.«
    Mit stockendem Atem setzte ich mich in meinem Bett auf, umgeben von einem Zimmer, das so dunkel war wie das lichtlose Labyrinth der Alptraumbibliothek. Einen Moment lang hatte ich fast das Gefühl, Waxx habe nicht im Traum gesprochen, sondern hier in der Realität.
    Bewusst stieß ich die Luft aus, atmete wieder ein und orientierte mich am Gefühl des Bettzeugs auf meinem Körper und dessen leichtem Duft nach Weichspüler, am vertrauten Pfeifen der Luft, die durch die Heizungsschlitze strömte, am feinen Schein des Mondlichts, das die Kanten der schweren Vorhänge umspielte.
    Der Raum war schwärzer, als er es hätte sein sollen. Die grünen Ziffern meines Digitalweckers leuchteten nicht; auch die Uhr auf Pennys Nachttisch war erloschen.
    An der Wand, wenige Schritte von meiner Bettkante entfernt, hätte die Tastatur der Alarmanlage erkennbar sein müssen, doch deren Ziffern waren nirgendwo zu sehen.
    Außerdem hätte dort ein winziges grünes Lämpchen anzeigen sollen, dass die Anlage eingeschaltet war. Ein rotes Lämpchen hätte auf die aktuelle Einstellung hinweisen sollen, die verwendet wurde, wenn man daheim war. Das hieß, dass die Bewegungsmelder im Haus außer Betrieb waren, die Sensoren an allen Türen und Fenstern jedoch aktiviert, um vor jedem Einbruchsversuch zu warnen. Weder das grüne noch das rote Lämpchen brannten.
    Da war der Strom ausgefallen. Vielleicht hatte ein betrunkener Autofahrer einen Mast abrasiert. Oder ein Transformator war in die Luft geflogen. Solche Unterbrechungen
waren selten und normalerweise kurzfristig, also nichts, worüber man sich Sorgen machen musste.
    Endlich verzog sich meine Schlaftrunkenheit, und mir fiel ein, dass die Alarmanlage mit einem Akku ausgestattet war, der sie im Notfall drei Stunden lang in Funktion halten konnte. Sobald kein Netzstrom mehr eingespeist wurde und das System auf Akkubetrieb umschaltete, sollte eine Computerstimme über im ganzen Haus verteilte Lautsprecher das Wort »Stromausfall« verkünden.
    Offenbar hatte auch der Akku versagt. Jedenfalls war die Computerstimme nicht erklungen.
    Ich zwang mich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. In Romanen wirkten Zufälle nur selten glaubhaft, aber im Gewebe der Realität stellten sie einen wichtigen Faden dar. Deshalb war ein Unfall im Elektrizitätswerk eine plausiblere Erklärung als eine Rückkehr des feindseligen Kritikers.
    Irgendwo im pechschwarzen Schlafzimmer sagte Shearman Waxx zum wiederholten Mal: »Verdammnis.«

10
    Am liebsten hätte ich mir vorgestellt, ich sei nicht aufgewacht, sondern aus dem einen Traum in einen anderen geglitten.
    Als Schriftsteller gelang es mir recht gut, meinen Lesern vorzumachen, die von mir erzählte Geschichte sei so wahr wie ihr eigenes Leben. Was einer meiner Figuren widerfuhr, sollte sie genauso beschäftigen und betroffen machen wie die Erlebnisse eines Nachbarn in der realen Welt. Mir selbst etwas vorzumachen, nun, das war mir hingegen nie besonders gut gelungen.
    Was hieß, ich war hellwach, und Waxx stand oder hockte irgendwo im Schlafzimmer, falls er nicht durchs Dunkel schlich.
    Im ersten Augenblick hätte ich fast losgekreischt wie ein kleines Mädchen. Glücklicherweise unterdrückte ich diese Regung. Waxx war ein Typ, der mit den Genen eines Krokodils ausgestattet zu sein schien; eine Angstpheromone ausströmende Beute fand er bestimmt äußerst köstlich.
    Als Nachttisch diente mir eine antike chinesische Truhe mit zahlreichen Schubladen verschiedener Größe. In der obersten Lade, die ich am leichtesten erreichen konnte, verwahrte ich eine Taschenlampe, damit ich nachts den Weg zur Toilette finden konnte, ohne das Licht anzuknipsen und Penny aufzuwecken.
    Jeden Abend, bevor ich zu Bett ging, zog ich diese Schublade ein Stück weit heraus, um die Taschenlampe geräuschlos
herausnehmen zu können. Ich war zwar ein ungeschickter Heimwerker, aber dafür ein rücksichtsvoller Ehemann.
    Nun tastete ich in der Dunkelheit nach der Truhe, fand die offene Schublade und griff hinein. Die Taschenlampe war nicht da.
    Irgendwo anders hingelegt hatte ich sie nicht, da war ich mir sicher. Waxx musste sie weggenommen haben, bevor er mich aufweckte.
    Auch Penny verwahrte in einer Schublade ihres
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