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Racheherz - Roman

Racheherz - Roman

Titel: Racheherz - Roman
Autoren: Heyne
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entsetzlichen Anfalls.
    Er wandte sich vom Fernseher ab und schaltete eine Lampe ein. Er starrte seine zitternden Hände an, schloss sie zu Fäusten und öffnete sie wieder, fast so, als erwarte er ein gewisses Maß an Lähmung, fand aber keines.
    In seinem Badezimmer warf eine Wildnis von Spiegeln schwarzen Granit, goldenen Onyx und Edelstahl zurück. Unzählige Ryan Perrys sahen ihn an, alle grau und abgespannt und starr vor Angst.
    Wie nie zuvor war er sich des Schädels unter seiner Kopfhaut bewusst, jeder Wölbung und Fläche und Aushöhlung der Knochen. Das fortwährende Grinsen des Totenschädels war hinter jedem Ausdruck verborgen, den sein Gesicht annahm.

    Als er rasiert, geduscht und angezogen war, machte sich Ryan auf die Suche nach seinem Hausmeister und Verwalter Lee Ting. Er fand ihn in der Garage.
    Dieser große unterirdische Raum bot Stellplätze für achtzehn Fahrzeuge. Die Decke war drei Meter hoch, damit Lieferwagen hineinpassten und - falls er jemals eines haben wollte - ein Wohnmobil.
    Der Boden war mit goldenen Keramikfliesen von der Sorte gekachelt, wie sie in Ausstellungsräumen von Automobilhändlern verwendet werden, die Wände mit glänzenden, weißen Fliesen. Die Chromteile am Woodie und anderen Oldtimern funkelten im Schein von Punktstrahlern.
    Bisher hatte Ryan die Garage immer wunderschön gefunden, sogar elegant. Jetzt erinnerten ihn die kalten Kacheln an ein Mausoleum.
    In einer Ecke der Werkstatt polierte Lee Ting gerade einen maßgefertigten Rahmen für das Nummernschild von einem der Wagen.
    Lee war klein, aber kräftig. Er wirkte wie aus Bronze gegossen, die noch nicht angelaufen war, und hatte Hände mit auffällig hervortretenden Adern.
    Mit fünfzig war sein Leben davon gezeichnet, dass ihm die Vaterschaft versagt geblieben war und seine Hoffnung auf eine Familie sich zerschlagen hatte. Kay Ting war zweimal schwanger gewesen, konnte jedoch nach einer Uterusinfektion keine Kinder mehr bekommen.
    Ihr erstes Kind war eine Tochter gewesen. Im Alter von zwei Jahren war sie an der Grippe gestorben. Ihr zweites Kind, ein Sohn, war auch nicht mehr am Leben.
    Der Anblick kleiner Kinder entlockte beiden ein unglaublich
zärtliches Lächeln, während die Erinnerung an den Verlust ihre Augen feucht schimmern ließ.
    Als Lee die Poliermaschine ausschaltete, sagte Ryan: »Lee, haben Sie heute Morgen eine Besprechung mit dem Personal oder irgendwelche anderen Termine?«
    Lee drehte sich überrascht um. Sein Gesicht hellte sich auf, er reckte das Kinn und nahm eine so heitere Erwartungshaltung an, als freue ihn nichts mehr als die Gelegenheit, sich nützlich zu machen.
    Ryan hatte den Verdacht, das wäre tatsächlich der Fall. Lees unerfüllter Wunsch nach Familie und die besondere Befriedigung, die daraus erwuchs, Lee jedoch versagt geblieben war, mochten bewirken, dass er völlig in seinem Job aufging.
    Lee legte das Nummernschild zur Seite und sagte: »Guten Morgen, Mr Perry. Ich habe nichts geplant, was Kay nicht übernehmen kann. Was brauchen Sie denn?«
    »Ich hatte gehofft, Sie könnten mich zu einem Arzttermin fahren.«
    Die Sorge ließ Lees strahlendes Lächeln schwinden. »Fehlt Ihnen etwas, Sir?«
    »Nichts weiter. Ich fühle mich nur nicht ganz wohl, mir ist ein bisschen übel. Deshalb möchte ich lieber nicht selbst fahren.«
    Die meisten Männer, die so reich waren wie Ryan, hatten einen Chauffeur. Doch er liebte Autos zu sehr, um das Fahren an jemand zu delegieren.
    Lee Ting war vollkommen klar, dass der Wunsch, sich chauffieren zu lassen, ein Beweis für mehr als nur eine leichte Übelkeit war. Er schnappte sich augenblicklich einen Wagenschlüssel aus der Schlüsselbox und ging mit Ryan zu dem Mercedes S600.

    Die Sanftheit, die Lee ihm gegenüber an den Tag legte, und der verletzte Ausdruck in seinen Augen deuteten darauf hin, dass er seinen Boss nicht nur als einen Arbeitgeber betrachtete. Schließlich war er gerade alt genug, um Ryans Vater sein zu können.
    Der zwölfzylindrige Mercedes schien auf einem Luftkissen zu schweben und es drangen so gut wie keine Straßengeräusche zu ihnen hinein. Obwohl die Limousine traumhaft dahinglitt, wusste Ryan, dass sie ihn einem Alptraum entgegenfuhr.

5
    Ryans Internist führte eine Bestellpraxis, die sich auf einen festen Stamm von dreihundert Patienten beschränkte. Er garantierte einen Termin innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach der Anfrage. Ryan empfing er bereits drei Stunden nachdem dieser ihn angerufen hatte.
    Von einem
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