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Rache ist lavendelblau

Rache ist lavendelblau

Titel: Rache ist lavendelblau
Autoren: Fannie Ennser
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für einen kurzen Augenblick eine zum Greifen nahe, bleierne Schwere über die Erben.
Es war kühl im Raum und Romana fröstelte.
Umständlich zog der Notar mit dünnen Fingern eine schmale Mappe aus einer Lade hervor, legte sie behutsam vor sich auf das edle Holz, überprüfte Romanas und Claus´ Identität, räusperte sich kurz und lehnte sich in seinen hohen, ledernen Lehnstuhl zurück. Seine hellen, unruhigen Augen stachen auf die Beiden ein.
„Ich eröffne hiermit die Verlassenschaftsabhandlung nach Ihrer Mutter, Frau Dr. Heidrun Estermann, verstorben am 11. Mai dieses Jahres.“
Romana und Claus hatten ihre Blicke an die Lippen des Notars geheftet, Claus nestelte nervös an seiner zu eng gebundenen Krawatte und Romana dachte nur, „na endlich“.
*

Jahre zuvor
 
     

    Die Besitzerin der Osteria, eine ältliche, mütterliche Person mit einem grauen Dutt - der ihr verwegen im Nacken saß - drehte vorsichtig das Foto zwischen ihren Fingern, das ihr Heidrun soeben gereicht hatte. „Si, si, den signore kenne ich, ich weiß nur nicht genau wo er wohnt, bitte, warten Sie einen Moment“, sie drehte sich um und rief nach ihrem Sohn.
„Emilio, komm, da ist eine Dame, die will etwas.“ Emilio - die Ähnlichkeit zu seiner Mutter war nicht zu übersehen - kam aus der Küche geeilt, wischte sich die fettigen Finger in seiner Schürze ab und nahm das Foto, das ihm seine Mutter entgegenhielt, in die eine Hand, und mit der anderen kratzte er das mit dunklen Bartstoppeln gespickte Kinn.
„Eh, claro, das ist der signore Estermane, der wohnt am Ende der viale Frescobaldi, im letzten Haus hinter dem großen Garten. Gleich hinter der Kirche geht der Weg in Richtung der Weingärten.“
Sprach ´s, legte das Foto auf die Theke zurück und verabschiedete sich mit einem knappen „ciao“, bevor er an seinen Arbeitsplatz zurückeilte. Heidruns „mille grazie“ nahm er nicht mehr zur Kenntnis.
„Estermane, ein Italiener mit einem deutschen Namen“, dachte Heidrun, „damit haben die Leute hier wohl ihre Schwierigkeiten, Estermane“, wiederholte sie und schüttelte belustigt den Kopf.
Heidrun stand wie angewurzelt da.
Hatte sie zuhause noch einen exakten Plan, wie sie vorgehen wolle, so war sie nunmehr unschlüssig und zauderte. Ihr Herz pochte wild. Soll ich es wirklich wagen? Nach so langer Zeit? Und überhaupt, was soll ich sagen? ‚Ich bin die Ehefrau ihres Liebhabers, geben sie ihn mir schnellstens zurück, sonst passiert etwas‘. Nein“, befahl sich Heidrun, „gehe nach Plan vor!“
*
Fast acht Jahre waren vergangen, als Conradin die Familie verlassen hatte.
„Ich gebe zu, unsere Ehe stand damals ja nicht gerade zum Besten, Conradin war meist unterwegs, seine Immobiliengeschäfte hatten ihn fest im Griff, unsere Kinder waren noch im Schulalter, und ich, ja, ich, ich hatte einen Liebhaber“, sinnierte sie. „Wir hatten uns einvernehmlich getrennt, aber erst, nachdem er schon ausgezogen war. Eigentlich am Telefon getrennt, denn zurück kam er nicht mehr. Scheidung? Nein, die kam nie in Frage. Dann, eines Tages, erfuhren wir von Chiara, einer Italienerin. Conradin und seine Neue lebten in der Toscana, er ging nun von dort aus seinen Geschäften nach, seine Geliebte hatte ihren eigenen Beruf, sie war Restauratorin, erzählte man. Ja, und Romana und Claus erhielten weiterhin kräftige finanzielle Zuwendungen von ihrem Vater. Kleinlich war Conradin nie, das konnte man ihm wirklich nicht nachsagen. Obwohl, seine Geschäfte liefen gut, bis Übersee hatte er seine Verbindungen, da konnte er die Geldtasche leicht aufmachen.“
Heidrun hielt in ihren Gedanken kurz inne.
„Die Geldtasche ja, aber sein Herz hat er seinen Kindern gegenüber wahrlich nie geöffnet. Und wie ging´s mir in dieser Zeit? Ich bin halt gerade so über die Runden gekommen; wenn ich das kleine Vermögen meiner Eltern nicht geerbt hätte, dann hätte ich das Haus wohl verkaufen müssen. Lehrergehälter sind nicht so üppig, um eine Villa und zwei Schulkinder über die Jahre mit Leichtigkeit durchzubringen.“
Heidrun schob das leere Glas zur Seite, dem der kräftige Rotwein einen dunklen Saum gemalt hatte. Die, in Salzlake und frischem Petersiliengrün eingelegten Sardellen, dazu das grobe Weißbrot, hatten ihr vorzüglich geschmeckt.
Über der kleinen Piazzetta stand die frühe Nachmittagssonne, ihre Strahlen zwängten sich durch die glühend heißen, schmalen Gassen der kleinen Renaissancestadt am Hügel. Es war ruhig zu dieser Stunde in der alten
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