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Qual

Qual

Titel: Qual
Autoren: Greg Egan
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»Ruf De Groot an!«
    Ich holte mein Notepad heraus und baute die Verbindung auf. Dann schwenkte ich die Kamera herum, um die Situation zu veranschaulichen. Sarah gab De Groot detaillierte Anweisungen, auf welche Weise die Autorisierungen für Mosalas Zugang zum Supercomputer offengelegt werden sollten.
    De Groot schien anfangs schockiert zu sein, als sie von Sarahs Wechsel der Fronten erfuhr. Sie erwiderte kaum ein Wort. Dann brach ihr Zorn an die Oberfläche, und sie warf süffisant ein: »Bei all Ihren Mitteln und Fähigkeiten können Sie nicht einmal eine akademische Zugangsberechtigung knacken?«
    Sarah entschuldigte sich beinahe. »Wir haben es natürlich versucht. Aber Violet war paranoid. Sie hat sich gut geschützt.«
    De Groot war fassungslos. »Besser als Thought Craft?«
    »Wie bitte?«
    De Groot wandte sich an mich. »Man hat eine kindische Inszenierung versucht, als Wendy in Toronto war. Sie haben sich in Kaspar eingeschleust und ließen ihn ihre idiotischen Theorien vortragen. Und wofür das alles? Zur Einschüchterung? Die Programmierer mußten ihn abschalten und auf die Backups zurückgreifen. Wendy wußte nicht einmal, worum es ging – bis ich ihr mitteilen ließ, wer ihre Tochter zu ermorden versucht.«
    Ich hörte, wie Akili – immer noch am Boden zu meinen Füßen – nach Luft schnappte. Und dann verstand auch ich.
    Freier Fall.
    Sarah runzelte irritiert über diese Ablenkung die Stirn. »Sie lügt.« Sie holte ihr eigenes Notepad hervor und überprüfte etwas, während sie weiterhin mit der Waffe auf mich zielte. »Unterbrich die Verbindung, Andrew.« Ich tat es.
    »Haben Sie die Nachrichten über Qual verfolgt, Sarah?« fragte Akili.
    »Nein. Ich hatte zu tun.« Mißtrauisch beäugte sie ihr Notepad, als wäre es eine Bombe, die dringend entschärft werden sollte. Sie hielt jetzt Mosalas gesamte Arbeit in den Händen, und sie mußte dafür sorgen, sie gründlich und unwiderruflich zu vernichten, ohne sich dadurch verderben zu lassen.
    Akili ließ nicht locker. »Sie haben verloren, Sarah. Der Aleph-Moment hat sich bereits ereignet.«
    Sie blickte vom Bildschirm zu mir auf. »Könntest du dafür sorgen, daß hie den Mund hält. Ich möchte hie nur ungern etwas antun, aber…«
    »Qual ist eine Krankheit, die durch Informationsvermischung ausgelöst wird«, sagte ich. »Zuerst dachte ich, es sei ein organisches Virus, aber Kaspar beweist, daß dem nicht so ist.«
    Sarah warf mir einen finsteren Blick zu. »Was sagst du da? Glaubst du, De Groot hat die fertiggestellte UT gelesen und ist damit zur Schlüsselfigur geworden?« Sie hielt triumphierend ihr Notepad hoch, auf dem Mosalas Rechnerzeiten angezeigt wurden. »Niemand hat den Artikel gelesen. Niemand hatte Zugang zu den Endresultaten.«
    »Mit Ausnahme des Autors. Wendy hat Violet einen Kaspar- Softklon besorgt. Er hat den Artikel verfaßt, er hat alle Berechnungen angestellt. Und er ist zur Schlüsselfigur geworden.«
    Sarah wollte es nicht glauben. »Eine Software? Ein Computerprogramm?«
    »Durchsuchen Sie die Nets nach Qual-Opfern bei klarem Verstand«, sagte Akili. »Hören Sie, was sie zu sagen haben.«
    »Wenn das der Versuch eines lächerlichen Bluffs sein soll, dann verschwendet ihr…«
    Sisyphus unterbrach sie gutgelaunt: »Dieses Informationsmuster erfordert die Codierung in Germaniumphosphid-Kristallen, einem Artefakt, das durch die Zusammenarbeit mit organischen…«
    Sarah schrie mich unartikuliert an und schwenkte die Waffe über dem Kopf, wobei sie wilde Schatten an die Zeltwände warf. Ich drückte auf eine Taste, um den Ton abzustellen, doch die Erklärung wurde lautlos fortgesetzt, indem sie als Text über den Bildschirm wanderte. Mir schwindelte, als ich über die Tragweite dieser Entwicklungen nachzudenken versuchte – aber mein Todeswunsch hatte nachgelassen, und Sarah hatte nun meine ganze Aufmerksamkeit.
    Akili sprach ruhig, aber mit Nachdruck. »Hören Sie mir zu. Inzwischen muß die Zahl der Qual-Fälle explodieren. Und mit einer Software-Schlüsselfigur – einer maschinellen Weltanschauung – wird die Vermischung weiterhin den Verstand der Menschen ruinieren – bis jemand den UT-Artikel liest.«
    Sarah blieb ungerührt. »Sie irren sich. Es gibt keine Schlüsselfigur. Wir haben gewonnen. Wir haben die Beantwortung der letzten Frage verhindert.« Plötzlich lächelte sie mich strahlend an, als sie sich einer privaten Apotheose hingab. »Es spielt keine Rolle, wie klein der Rest an Ungewißheit ist, denn in
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