Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Titel: Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Bavia war nicht wie die meisten
Männer. Obwohl Annie wenig von der Politik dieses kleinen Lands verstand, wußte
sie, daß die Bauern Rafael für grausam hielten und ihn fürchteten, wie sie
früher seinen Vater und dessen Vater gefürchtet hatten.
    Ruhelos drehte Annie sich wieder auf
die andere Seite, doch Rafaels Bild verfolgte sie, drängte sich in ihre Gedanken
und in ihre Träume und verhinderte, daß sie Schlaf fand in jener Nacht.
    Am folgenden Morgen saß Rafael an
seinem gewohnten Platz am Kopf des Tischs im großen Speisesaal, als Annie
hereinschwebte — in einem strahlend gelben Kleid, ihr rotblondes Haar zu einem
ordentlichen Kranz geflochten.
    Rafaels Ärger hatte inzwischen ein
wenig nachgelassen, und so gern er etwas anderes empfunden hätte, vermochte er
doch nicht zu übersehen, daß Miss Trevarren ein ganz entzückendes kleines Ding
war.
    Der Prinz verbarg sein Lächeln und
biß in eine Scheibe Brot, froh, daß bisher niemand anderer zum Frühstück hinuntergekommen
war. Für einige Minuten zumindest würde diese unterhaltsame, aufreizende junge
Frau ausschließlich ihm gehören, um sie anzusehen, zu beobachten und sich über
sie zu wundern. Der verblüffende Wechsel in seinen Gefühlen entging ihm nicht;
Rafael kannte sich sehr gut und vermutete bereits, daß Annie — vorausgesetzt,
er gab ihr die Gelegenheit — ihn dazu bringen könnte, sich aufzuführen wie ein
Narr.
    Sein Lächeln, das zaghaft genug
gewesen war, begann nun ganz zu schwinden. Seit Georgianas Tod war er innerlich
wie betäubt gewesen; doch nun überfluteten ihn wieder Emotionen, und er hatte
Einfälle und Wünsche, die fast ausnahmslos schmerzhaft waren. Er biß in das
harte, fade Brot, kaute und schluckte. Als Annie sich einen Teller am Büfett
gefüllt hatte und sich zu ihm umwandte, trug er längst wieder eine Miene
königlicher Indifferenz zur Schau.
    Sie zögerte nur einen winzigen
Moment lang, dann kam sie resolut zum Tisch.
    Rafael stand auf, mehr aus
Gewohnheit als aus Respekt, und blieb stehen, während sie zu seiner Linken
Platz nahm.
    »Guten Morgen«, sagte sie, und
obwohl sie ihn nicht anschaute, straffte sie die Schultern und schob das Kinn
vor.
    Gott, sie war aber auch ein keckes
kleines Ding; Rafael bewunderte Mut mehr als jeden anderen Charakterzug, mit
Ausnahme von Ehrgefühl, und gleich danach weibliche Schönheit.
    »Guten Morgen«, erwiderte er und
setzte sich.
    Annie aß ein Stückchen Speck und
schob mit der Gabel lustlos ihre Eier auf dem Teller herum, bevor sie sich
zwang, aufzusehen und Rafaels Blick zu erwidern.
    »Werdet Ihr mich fortschicken?«
fragte sie errötend. »Wegen gestern nacht, meine ich?«
    Tatsächlich hatte Rafael sein
voreiliges Dekret bereits vergessen. Der Brandy in der Nacht zuvor hatte
seinen Zweck erfüllt; der Prinz hatte gut geschlafen, und seine Hände, wenn
auch noch etwas wund, begannen bereits zu verheilen. Sein schlimmstes Unbehagen
in diesem Augenblick war ein gar nicht so nobles Ziehen tief in seinen Lenden.
    Rafael lehnte sich zurück und
runzelte die Stirn. Er hätte Annie jetzt durchaus sagen können, der
Zwischenfall sei vergessen, aber etwas in ihm, etwas ungeheuer Mächtiges, hinderte
ihn daran, ihr so leichtfertig zu verzeihen. Ihr Temperament und ihre Anfälle
von Trotz amüsierten ihn, und das wollte er so lange wie möglich auskosten, da
es sonst sehr wenig Amüsantes in seinem Leben gab.
    »Ja«, sagte er schließlich in
strengem Ton, straffte die Schultern und betrachtete Miss Trevarren aus
schmalen Augen. »Sie werden heute den ganzen Tag in meiner Nähe bleiben, für
den Fall, daß Sie wieder in Versuchung kommen sollten, auf irgend etwas
hinaufzuklettern und sich Ihren dreisten kleinen Hals zu brechen.«
    Wie kommst du bloß dazu, so etwas zu
sagen? fragte
Rafael sich, kaum daß die Worte über seine Lippen waren. Jetzt würde die Kleine
ihm den ganzen Tag im Weg sein, und er würde nichts oder nur sehr wenig
schaffen.
    Als ob das wichtig wäre, dachte er
spöttisch. Sein Vater und alle St. James', die vor ihm regierten, hatten das
Land heruntergewirtschaftet und in den Ruin getrieben. Es war nicht mehr zu
retten, nichts hätte die Konsequenzen noch aufhalten können, obwohl Rafael noch
immer viele Stunden mit dem Versuch verbrachte und es schon tat, seit er aus
England in sein Heimatland zurückgekehrt war. Denn obwohl er wußte, daß es ein
sinnloses Unterfangen war, konnte er sich nicht dazu überwinden, aufzugeben.
    Annies Wangen röteten sich, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher