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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton
Autoren: Erich Kästner
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sagte Berta zu Piefke und machte Licht. Es war ein Mann in einem Regenmantel und mit einer tief ins Gesicht gezogenen Mütze. Piefke beschnupperte den Bräutigam von Fräulein Andacht, wurde plötzlich, wenn auch zu spät, außerordentlich mutig und biß den Mann in die Wade. 

    »Wenn nur die Polizei bald käme«, sagte Berta 

    Aber der Mann lag auf dem Kokosläufer und rührte sich nicht mehr.
    »Wenn nur die Polizei bald käme«, sagte Berta, setzte sich auf ihren Stuhl, nahm die Keule in die Hand und paßte gut auf. »Man sollte ihn fesseln«, meinte sie zu Piefke. »Hol mal eine Wäscheleine aus der Küche.« 

    Piefke hustete ihr was. Beide saßen vor dem Einbrecher und hatten Angst, er könnte wieder munter werden.
    Da! Der Mann öffnete die Augen und richtete sich hoch. Langsam wurde sein Blick klarer.
    »Tut mir furchtbar leid«, erklärte die dicke Berta ganz gerührt und schlug ihm zum zweitenmal auf den Kopf. Der Mann seufzte ein bißchen und sank wieder um.
    »Wo bleibt nur die Polizei?« schimpfte Berta. Aber dann kamen die Gesetzeshüter.
    Es waren drei Polizisten, und sie mußten über den Anblick, der sich bot, lachen.
    »Ich möchte nur wissen, was daran komisch ist«, rief die dicke Berta. »Fesseln Sie den Kerl lieber! Er wird gleich wieder munter werden.« Die Polizisten legten dem Einbrecher Handschellen an und durchsuchten ihn. Sie fanden die Schlüssel, den Wohnungsplan, ein Bündel Dietriche und einen Revolver. Der Oberwachtmeister nahm die Gegenstände an sich, Berta setzte den drei Herren in der Küche Kaffee vor und bat sie, doch ja zu warten, bis Pogges kämen.
    Das Kind und das Kinderfräulein wären verschwunden. Wer weiß, was heute noch alles passierte!
    »Gut, aber nur ein paar Minuten«, sagte der Oberwachtmeister.
    Bald waren sie mitten in einer Unterhaltung. Piefke bewachte unterdessen den gefesselten Halunken und probierte heimlich, wie Schuhsohlen schmecken.

    Die dreizehnte Nachdenkerei handelt: VOM ZUFALL

    Wenn es  an  diesem Abend nicht geregnet hätte, wäre die dicke Berta später nach Hause gekommen. Wenn die dicke Berta später nach Hause gekommen wäre, hätte der Dieb ungestört stehlen können. Es war der reine Zufall, daß sie zu Hause war und daß der Diebstahl mißlang. Wenn Galvani nicht zufällig ein paar Froschschenkel, die er aufgehängt hatte, hätte zucken sehen, wäre die tierische Elektrizität nicht entdeckt worden oder erst viel später.
    Wenn Napoleon am 18. Oktober 1813 nicht so müde gewesen wäre, hätte er vielleicht die Schlacht bei Leipzig gewonnen.
    Viele Ereignisse, die für die Entwicklung der Menschen entscheidend waren, trafen zufällig ein, und ebenso hätte das Gegenteil oder ganz etwas anderes geschehen können.
    Der Zufall ist die größte Großmacht der Welt.
    Andere Leute sagen statt Zufall: Schicksal. Sie sagen: Es war eine schicksalhafte Fügung, daß Napoleon am 18. Oktober 1813 so müde war und solche Magenschmerzen hatte. Zufall oder Schicksal: das ist Geschmacksache.
    Meine Mutter sagt in solchen Fällen: »Der eine ißt gern Wurst, der andere grüne Seife.«

Vierzehntes Kapitel - EIN ABENDKLEID WIRD SCHMUTZIG
    D i r e k t o r Pogge sprang vor der Lindenoper aus der Autodroschke, zahlte und rannte in das Theater. Seine Frau saß in einer Loge, hatte die Augen zusammengekniffen und lauschte der Musik. Man gab »Bohème«, das ist eine sehr schöne Oper, und die Musik klingt, als ob es süße Bonbons regnet. Ein sehr berühmter Tenor sang die Partie des Roudolphe, und die Logenplätze waren schrecklich teuer. Von dem, was die zwei Plätze gekostet hatten, hätten Anton und seine Mutter vierzehn Tage leben können.
    Herr Pogge trat in die Loge. Seine Frau öffnete erstaunt die Augen und sah ihn erzürnt an. Er stellte sich hinter ihren Sessel, packte sie an den Schultern und sagte: »Komm hinaus!« Sie fand den Griff unausstehlich und wandte ihm ihr empörtes Gesicht zu.
    Er stand im Halbdunkel, vom Regen durchnäßt, mit 1hochgestelltem Mantelkragen und blickte an ihr vorbei.
    Sie hatte nie viel Respekt vor ihrem Mann gehabt, denn er war zu gut zu ihr. Aber jetzt bekam sie es mit der Angst. »Was soll denn das heißen?« fragte sie.
    »Komm auf der Stelle hinaus!« befahl er. Und als sie noch immer zögerte, riß er sie aus dem Sessel und zerrte sie, hinter sich her, aus der Loge. Sie fand es unglaublich, wagte aber nicht mehr, zu widersprechen.
    Sie lief, von ihm gefolgt, die Treppe hinunter. Er verlangte ihre Garderobe,
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