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Pünktchen und Anton

Pünktchen und Anton

Titel: Pünktchen und Anton
Autoren: Erich Kästner
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auf, sah, daß sich ihre Tochter mit einem fremden Jungen unterhielt, und riß das Kind an ihre Seite. »Gleich kommst du zu mir!« rief sie. »Was stehst du mit dem Betteljungen zusammen?«
    »Nun schlägt's dreizehn«, sagte Anton. »So fein 1wie Sie bin ich schon lange. Daß Sie es nur wissen.
    Und wenn Sie nicht zufällig die Mutter meiner Freundin wären, würde ich mit Ihnen überhaupt nicht sprechen, verstanden?«
    Herr Direktor Pogge wurde aufmerksam und trat hinzu.
    »Das ist mein bester Freund«, sagte Pünktchen und faßte ihn an der Hand. »Er heißt Anton und ist ein Prachtkerl.«
    »So?« fragte der Vater belustigt.
    »Prachtkerl ist übertrieben«, sagte Anton bescheiden. »Aber beschimpfen laß ich mich nicht.«
    »Meine Frau hat es nicht so schlimm gemeint«, erklärte Herr Pogge.
    »Das wollen wir auch stark hoffen«, sagte Pünktchen stolz und lächelte ihrem Freund zu. »So, und nun gehen wir nach Hause. Was haltet ihr davon? Anton, kommst du mit?«
    Anton lehnte ab. Er mußte ja zu seiner Mutter.
    »Dann kommst du morgen nach der Schule mal vorbei.«
    »Gut«, sagte Anton und schüttelte ihr die Hand.
    »Wenn es deinen Eltern recht ist.«
    »Einverstanden«, meinte Pünktchens Vater und nickte. Anton machte eine kleine Verbeugung und rannte fort.
    »Der ist goldrichtig«, erklärte Pünktchen und blickte ihm nach. Dann nahmen sie ein Taxi und fuhren heim. Das Kind saß zwischen den Eltern und spielte mit Groschen und Streichholzschachteln.
    »Wie ist das nur alles gekommen?« fragte der Vater streng.
    »Fräulein Andacht hat einen Bräutigam«, berichtete Pünktchen. »Und weil der immer Geld brauchte, ging sie mit mir immer hierher. Und wir haben ja auch ganz hübsch verdient. Das kann man ohne Übertreibung sagen.«
    »Entsetzlich, meine Süße«, rief die Mutter.
    »Wieso entsetzlich?« fragte Pünktchen. »Es war kolossal spannend.«
    Frau Pogge sah ihren Mann an, schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, diese Dienstboten!«

    Die vierzehnte Nachdenkerei handelt: VOM RESPEKT

    Im vorhergegangenen Kapitel steht ein Satz, der es verdient, daß wir ihn noch einmal anschauen. Es hieß dort von Frau Pogge: »Sie hatte nie viel Respekt vor ihrem Mann gehabt, denn er war zu gut zu ihr.«
    Kann man denn überhaupt zu gut zu jemandem sein? Ich glaube schon. In der Gegend, wo ich geboren bin, gibt es ein Wort, das heißt: dummgut. Man kann vor lauter Freundlichkeit und Güte dumm sein, und das ist falsch. Die Kinder spüren es am allerersten, wenn jemand zu gut zu ihnen ist. Wenn sie etwas angestellt haben, wofür sie sogar ihrer Meinung nach Strafe verdienten, und die Strafe bleibt aus, dann wundern sie sich. Und wenn sich der Fall wiederholt, verlieren sie Schritt für Schritt den Respekt vor dem Betreffenden.
    Respekt ist etwas sehr Wichtiges. Manche Kinder  tun von selber fast immer das Richtige, aber die meisten müssen es erst lernen. Und sie bedürfen dazu eines Barometers. Sie müssen fühlen: O weh, was ich da eben getan habe, war falsch, dafür verdiene ich Strafe.
    Wenn dann aber die Strafe oder der Verweis ausbleibt, wenn die Kinder noch dafür, daß sie frech waren, Schokolade kriegen, sagen sie sich vielleicht: Ich will mal immer hübsch frech sein, dann kriegt man Schokolade.
    Respekt ist nötig, und Respektspersonen sind nötig, solange die Kinder, und wir Menschen überhaupt, unvollkommen sind.

Fünfzehntes Kapitel - EIN POLIZIST TANZT TANGO
    A l s sie zu Hause die Treppe hinaufgingen, hörten sie in der ersten Etage Grammophonmusik. »Nanu«, sagte Herr Pogge und schloß auf. Im Anschluß hieran erstarrte er zur Salzsäule, seine Frau tat desgleichen.
    Nur Pünktchen war nicht weiter überrascht, sondern unterhielt sich mit Piefke, der ihr entgegenlief.
    Im Korridor tanzte die dicke Berta mit einem Polizisten Tango. Ein anderer Polizist stand am Reisegrammophon und drehte die Kurbel.
    »Aber, Berta!« rief Frau Pogge entrüstet. Pünktchen ging zu dem Polizisten, der am Grammophon stand, machte einen Knicks vor ihm und sagte: »Damenwahl, Herr Wachtmeister.« Der Polizist legte den Arm um sie und tanzte mit ihr eine Ehrenrunde.
    »Nun ist's aber genug!« rief der Direktor. »Berta, was soll das heißen? Haben Sie sich mit einer ganzen Polizeikompanie verlobt?«
    »Leider nein«, sagte die dicke Berta. Doch da kam ein dritter Polizist aus der Küche, und Frau Pogge murmelte: »Ich verliere den Verstand.«
    Pünktchen baute sich vor ihr auf und bat: »Ach ja, Mutti, mach das
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