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Psychologische Homöopathie

Psychologische Homöopathie

Titel: Psychologische Homöopathie
Autoren: Philip M. Bailey
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Stimulation ins Unermeßliche steigern. Andere entscheiden sich für »tiefere« Themen wie den Sinn des Lebens oder das Phänomen des Bewußtseins, aber selbst hier haben sie seltsam oberflächliche oder distanzierte Ansichten, mit denen sie Einschränkungen vermeiden und ihre ständige Suche nach einer undefinierbaren Freiheit rechtfertigen wollen. Das beste Beispiel, das mir in diesem Zusammenhang einfällt, ist der Existenzialismus und sein wichtigster Vertreter, Jean-Paul Sartre, von dem ich aufgrund seiner Werke annehme, daß er Tuberculinum war. Die existenzialistische Vision fördert alle Eigenschaften, die Tuberculinum schon besitzt oder zumindest anstrebt: intellektuelle Klarheit, Freiheit von den Fesseln der Moral und Freiheit von den Bindungen an die herrschenden Bedingungen. Was ihr fehlt, ist das Herz. Für den Existenzialisten hat das Leben keinen inhärenten Sinn. Unter der Oberfläche permanenter Geistesaktivitäten lauert das Gefühl der Leere, ein absolut unmenschliches Vakuum, das Tuberculinum zu verschlingen droht, wenn er sich länger als nur einen Augenblick still verhält. Während Staphisagria und Natrium ständig vor der brodelnden Masse wilder Gefühle unter der Oberfläche ihres Bewußtseins fliehen, läuft Tuberculinum vor seiner inneren Leere davon. Unter dieser Leere, die Tuberculinum empfindet, wenn er aufhört zu denken oder sich irgendwelchen sinnlichen Genüssen hinzugeben, ist eine Welt des Fühlens. Tuberculinum kennt die vorübergehende Ekstase, die körperliches Wohlbehagen oder angenehmePhantasien vermitteln können. Aber die tieferen Gefühle der persönlichen Liebe sind ihm fremd, und das führt zu der inneren Stille, die sich so leer anfühlt. Die Tuberculinums, die ihre Angst vor der Stille so weit überwinden, daß sie ihre emotionale Seite intensiver erforschen, werden weniger rastlos und weniger zynisch. Sie entdecken, daß es etwas gibt, wofür es sich am Ende doch lohnt zu leben.
Der kultivierte Bohemien
    Tuberculinum-Menschen sind sehr oft ebenso hedonistisch wie intellektuell, und sie sehnen sich nach Freiheit. Aus dieser Kombination entsteht häufig ein Bohemien. Tuberculinum paßt sich selten an althergebrachte Traditionen an, ist aber auch selten ein Revolutionär – dafür ist er zu selbstbezogen. Für ihn ist die Avantgarde attraktiv, weil sie etwas Neues und Aufregendes zu bieten hat, und viele ihrer führenden Köpfe stehen in Resonanz mit dem rastlosen tuberkulinischen Miasma. D. H. Lawrence, der große englische Schriftsteller, dessen leidenschaftliche Romantik althergebrachte soziale Werte genauso ablehnte, wie sie die persönliche Freiheit feierte, war vermutlich konstitutionell Tuberculinum.
    Ein anderer berühmter Schriftsteller, der fast mit Sicherheit ein Tuberculinum war, ist Henry Miller. Sein autobiographisches Werk Wendekreis des Steinbocks zeigt die wilde Rastlosigkeit des Typs, seine Unmoral, seine Romantik und seine geistige Beweglichkeit. Miller fand eine zweite Heimat in Paris, wo die künstlerischen Bohemiens stets unter sich waren. Die gesamte Essenz der künstlerischen Avantgarde im Paris der Jahrhundertwende stand in Resonanz mit der Essenz der tuberkulinischen Persönlichkeit. Man war kultiviert, hedonistisch, schick, modern und emotional oberflächlich. Der Bohemien ist romantisch (so wie ein Dichter romantisch ist, d. h. inspiriert von Schönheit und Phantasie), aber er geht keine Verpflichtungen ein. Er wartet auf eine schöne neue Welt, in der die Technologie die Menschheit von Arbeit und Leiden und auch von altmodischen moralischen Beschränkungen befreit haben wird, so daß er nun körperlich und intellektuell spielen kann. Wie Sulfur wird er mit zunehmendem Alter vielleicht zynisch, wenn er den Eindruck hat, er sei seiner Vision des Paradieses nicht näher gekommen. Dann nutzt er seine intellektuellen Fähigkeiten, um den Status quo zu attackieren, statt sich darauf zu konzentrieren, eine bessere Welt zu schaffen.
    Stil ist für die meisten Tuberculinums sehr wichtig. Die nationalen Charakteristika der Franzosen lassen ein erhebliches Maß an tuberkulinischem Einflußvermuten. Schließlich sind sie berühmt dafür, daß sie ihr Leben stilvoll genießen. Sie sind sehr oft chic, kultiviert und ziemlich distanziert. Vor allem französische Filme zeigen die tuberkulinischen Eigenschaften der Nation. Ihr Stil ist gewöhnlich künstlerisch und unmoralisch und konzentriert sich oft auf die Suche nach individueller Freiheit, beleuchtet
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