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Prophetengift: Roman

Prophetengift: Roman

Titel: Prophetengift: Roman
Autoren: Nick Nolan
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das Zeug schmeckt wie Baumsaft.« Aber er trank erneut. »Also, was wollten Sie über Thyatira sagen?«
    »In Thyatira hat meine Familie vor fast zweitausend Jahren begonnen zu wachen und zu warten ... zu wachen und auf Zeiten wie diese zu warten.« Olivier nahm noch einen Schluck Chartreuse und fing an, das Glas zu schwenken.
    »Worauf zu warten?«
    »Es gibt eine Bibelstelle, die ich jeden Morgen aufgesagt habe, seit ich sprechen kann. Mein Vater hat es mich gelehrt, so wie sein Vater es ihn gelehrt hatte. Vielleicht verstehen Sie dann besser.«
    »Könnten Sie vielleicht – Sie wissen schon – zum Punkt kommen?« Dyson kippte sich mehr von dem Likör in den Mund und schluckte. Es fühlte sich an wie Sonnenlicht, das seine Kehle hinabrann.
    »Aber«, begann Olivier, »ich habe wider dich, dass du das Weib Jezebel gewähren lässest, die sich eine Prophetin nennt und meine Knechte lehrt und verführt, Unzucht zu treiben und Götzenopferfleisch Zu essen. Und ich habe ihr Zeit gegeben, Buße zu tun, und sie will nicht Buße tun durch Abwendung von ihrer Unzucht. Siehe, ich werfe sie aufs Siechbett und die, welche mit ihr ehebrechen, in groβe Trübsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken; und ihre Kinder will ich des Todes sterben lassen ...«
    »Nett«, warf Dyson ein.
    »... und alle Gemeinden werden erkennen«, fuhr Olivier fort, » dass ich es bin, der Nieren und Herzen erforscht; und ich will euch vergelten, einem jeden nach seinen Werken. Euch aber, den übrigen in Thyatira, allen, die sich nicht zu dieser Lehre halten, die nicht, wie sie sagen, die Tiefen
des Satans erkannt haben, euch sage ich: Ich lege keine andere Last auf euch.«
    Olivier hielt inne und Dyson schaute ihn an. »Ist das alles?«
    Olivier erwiderte den Blick und nickte. »Ja«, log er.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum ich hier bin. Diese Bibelstelle könnte so gut wie alles bedeuten.«
    Olivier ließ den Rest des Chartreuse die Kehle hinunterrinnen. »Zwar geht meine Familie bis auf Seleucus I. zurück, den General Alexanders des Großen, aber heute ist meine Familie fast erloschen. Thyatira, jetzt Akhisar in der Türkei, ist wenig mehr als eine vergessene Stadt.«
    »Und?«
    »Thyatira gehörte zu den Städten, in denen das Christentum einst florierte, doch während einer der Invasionen der Muslime ist meine Familie nach Frankreich geflohen, wo wir seit Jahrhunderten leben. In Paris, und in Alicante in Spanien und in Madrid, bin ich dann aufgewachsen und erzogen worden, obwohl wir immer noch riesige Ländereien in Akhisar besitzen. Nur dass der Großteil dieser Ländereien, deren einziger Erbe ich bin, jetzt so gut wie wertlos ist. Ebenso bin ich der Erbe dieses einst prachtvollen Chateaus meiner Familie hier in Ballena Beach.« Er hob das Glas zum Salut und wedelte damit in der Luft herum.
    »Sie sind also pleite. Willkommen im Club.« Dyson lachte etwas hämisch. »Und was hat das alles mit Sebastian und Kitty zu tun – oder, noch besser, mit mir und Amber?«
    Olivier stellte sein Glas ab und verschränkte die Arme vor der Brust. »Thyatira wurde zwar von manchen als die geringste der sieben Gemeinden der Offenbarung angesehen, aber der Brief von Johannes an meine Familie in Thyatira war der längste. Das liegt daran, dass unsere Gemeinde ihm besonders am Herzen lag. Daher wurde meine Familie mit einer besonders heiligen Aufgabe betraut: Wir wurden Wächter, die nach Zeichen
der bevorstehenden Apokalypse Ausschau halten sollten. Wie Sie ja wissen, verkündet die Offenbarung, dass der falsche Prophet und der Antichrist mit Satan zusammenarbeiten werden, um die Welt zu zerstören. Es kann keinen Zweifel daran geben, dass Sebastian Black entweder ein falscher Prophet oder der Antichrist selbst ist. Mein Gedankengang ist nun folgender: Wenn er eliminiert wird, können wir Armageddon verhindern.«
    Dyson lachte. »Haben Sie gerade gesagt Armageddon verhindern?«
    »Ja, mein Freund. Sie haben richtig gehört.«
    »Aber wir wollen doch, dass die Apokalypse beginnt«, argumentierte Dyson und beugte sich vor. »Alle Christen wollen, dass das Reich Christi auf Erden möglichst bald kommt.«
    »Aber meine Familie ...«
    »Fühlen Sie sich nicht auch angewidert von der Gottlosigkeit und dem Bösen«, unterbrach Dyson ihn, »das jeden Winkel unserer Gesellschaft durchdringt? Je früher Jesus zurückkommt, desto besser wird es für alle sein, oder glauben Sie das etwa nicht?«
    »Hören Sie mir zu«, befahl Olivier. »Hören Sie zu,
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