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Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)

Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)

Titel: Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
Autoren: Christian Ortner
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ist die Differenz noch durch Schulden und immer neue Schulden zu überbrücken. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem es keine neuen Kredite mehr gibt. Dann heißt es, Game Over.
    Genau dieser Prozess vollzieht sich seit Jahrzehnten in der großen Mehrzahl der europäischen Demokratien, aber zum Teil auch in den USA und in Japan. In dieser Dimension noch nie zuvor gesehener staatlicher Daseinsvorsorge stehen in dieser Dimension noch nie gesehene Schuldengebirge gegenüber.
    Der Verdacht liegt nahe, dass dem demokratischen System, wie wir es kennen, die frivole Neigung zum Staatsbankrott innewohnt. Und zwar nicht durch Missbrauch, durch untaugliches politisches Personal oder politische Betriebsunfälle, sondern weil es gleichsam in seiner Natur liegt.
    In Einzelfällen ist es Staaten ab und zu gelungen, demokratische Mehrheiten für notwendige Sparmaßnahmen und damit eine Reduktion des Wohlstandes der Mehrheit zu organisieren. Die Regel ist das aber nicht, sonst wären die demokratischen Staaten in Summe nicht heute in einem Ausmaß verschuldet, das die Grenze des Vernünftigen schon weit hinter sich gelassen hat und in die Region des Gefährlichen vorgedrungen ist.
    Daraus ergeben sich ein paar heikle Fragen. Ist die Demokratie, so wie wir sie heute kennen, wirklich das Beste aller denkbaren politischen Betriebssysteme zur Bewältigung der sehr turbulenten Zeiten, die vor uns liegen? Was sollte an dieser Demokratie verändert werden, um ihre fatale Neigung zur Überschuldung zu beseitigen? Oder gibt es gar Alternativen zur westlichen Parteiendemokratie, die deren Vorteile erhalten, ohne deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen?
     

II. Demokratisch in die Pleite – oder: Warum Bürger dazu neigen, staatliche Schuldenexzesse herbeizuwählen.
     
     
    V or einer » in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Finanzierungslücke « warnte das deutsche Magazin »Der Spiegel« seine Leser. Der Bundeskanzler raunte sogar von » drohenden italienischen Verhältnissen « und ein Direktor der deutschen Bundesbank fand das Defizit des Staates » höchst ungemütlich «.
    Was sich wie ein unmittelbar bevorstehender Staatsbankrott der Bonner Republik anhört, war ein im Jahre 1975 unter Kanzler Helmut Schmidt drohendes Defizit von 20 Prozent des Bruttosozialproduktes. Das ist ein aus heutiger Sicht geradezu paradiesisch niedriger Wert. 2012 liegt der Schuldenstand des deutschen Staates bei satten 80 Prozent. Österreichs Finanzen haben sich in dieser vergleichsweise kurzen Zeit genauso betrüblich entwickelt. Lag das Defizit 1975 bei 15,3 Prozent, so erreichte es 2012 den fünffachen Wert (75 Prozent). In den meisten anderen westlichen Demokratien sind die Staatsschulden in ganz ähnlich atemberaubendem Tempo angewachsen und haben schließlich zu jener globalen Finanzkrise beigetragen, die seit über fünf Jahren wütet.
    Man kann diesen Prozess auch als eklatanten Fall von Demokratieversagen verstehen. Denn der Weg in den Schuldenexzess ist demokratisch völlig einwandfrei legitimiert, parlamentarisch korrekt beschritten und vom Wähler alle paar Jahre bestätigt worden.
    Jedes Land hat eben die Staatsschulden, die es sich wählt. Wir amüsieren uns nicht nur zu Tode (wie Neil Postman trefflich formulierte, darauf wird später noch zurückzukommen sein), wir wählen uns auch zu Tode, fiskalpolitisch jedenfalls.
    Dafür, dass sie Schuldenberg auf Schuldenberg türm ten, und das seit mehr als 35 Jahren, haben die Politiker viele gut klingende Begründungen auf Lager. Mal muss in einer Phase schlechter Konjunktur »die Wirtschaft angekurbelt werden« , mal müssen »Arbeitsplätze geschaffen werden« , mal muss »sozialer Ausgleich« stattfinden. Irgendeinen Grund, fröhlich Schulden zu machen, gibt es immer. Sind die Zeiten schlecht, ist es klar, sind sie gut, darf der Aufschwung nicht behindert werden. Wenn Politiker vom Sparen reden, meinen sie damit in aller Regel höchstens, etwas weniger Schulden zu machen als üblich.
    Doch mit einer einzigen historischen Ausnahme, der deutschen Wiedervereinigung, sind das alles letztlich mehr oder weniger kosmetische Argumente, die das wichtigste Motiv der Politik camouflieren sollen. Dieses ist, den Wähler mittels immer neuer staatlicher Leistungen bei Laune zu halten. Die Politik besticht den Wähler mit Geld, das sie sich von zukünftigen Wählergenerationen ausborgt.
    Parlamente werden in diesem Kontext zu Umverteilungsmaschinen, mit deren Hilfe die heutige Generation ihre Kinder und
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