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Projekt Atlantis

Titel: Projekt Atlantis
Autoren: Andreas Wilhelm
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Hose, zog eine Filterlose hervor, formte sie gerade und steckte sie an. Nach dem ersten Zug ließ er sie im Mundwinkel baumeln und bückte sich nach seinen Schuhen. Er hielt sie an der Sohle fest und schlug sie mit der Öffnung nach unten mehrfach gegen einen Baum. Der erste Stiefel war leer, aus dem zweiten fiel ein fingerdicker Tausendfüßler auf den Waldboden und verschwand eilig zwischen den Blättern.
    »Los, hau ab, sonst kommst du in den Topf!«
    Er zog die Stiefel an und ging zur Feuerstelle. Solange er zwei Führer dabei hatte, brauchte er sich nicht um die Verpflegung zu kümmern, und auch die Gaskartuschen des Campingkochers konnten für Notfälle aufgehoben werden. Die beiden entfachten an jeder Lagerstätte ein kleines Feuer, das sie hegten und zum Kochen verwendeten. In diesem Fall für einen starken Kaffee, und der kam Patrick am Morgen gerade recht.
    Er hatte die Scouts vor einigen Tagen in Flores angeworben. Sie waren mit einem alten Geländewagen nach Carmelita gefahren, von wo aus immer wieder einige Survival-Touren und Dschungel-Exkursionen für abenteuerlustige Großstädter angeboten wurden, die für lächerlich viel Geld ein paar angeblich noch nie gesehene Maya-Ruinen in der Region erkunden wollten. Von Carmelita aus hatten sie sich in nordöstlicher Richtung in den Wald geschlagen. Allerdings hatte Patrick nicht vor, irgendwelche Maya-Tempel zu finden, dieses Mal ging es um etwas anderes.
    Patrick setzte sich auf einen Holzstumpf neben dem Feuer, nahm einen Plastikbecher von Jaime, einem der Scouts, entgegen und füllte ihn mit der mokkaartigen Brühe, die in der Blechkanne am Feuer vor sich hin kochte.
    »Ist es noch weit, señor Patrick?«, fragte Jaime.
    »Wir kommen heute an, schätze ich.« Er nippte an dem Kaffee und sah sich um. »Wo ist denn Rodrigo?«
    »Er sucht einen Weg, señor. «
    »Einen Weg? Er kann keinen Weg suchen. Er weiß doch gar nicht, wo wir hingehen!«
    »Ja, ja«, Jaime nickte. »Deswegen sucht er überall.«
    Patrick schüttelte den Kopf. Er holte seinen GPS-Empfänger und schaltete ihn an. Das Gerät empfing die Signale mehrerer Satelliten und berechnete daraus die aktuelle Position. Eine Karte erschien oder vielmehr das, was eine Karte hätte sein sollen. Für diese Region war es allerdings nicht mehr als eine leere Fläche mit einigen wenigen Straßen, von denen sie inzwischen zu weit entfernt waren, um sie in dieser Zoomstufe zu sehen. Viel wichtiger waren ein paar andere Daten, die das Gerät aus den Satellitensignalen berechnete.
    »Es sind noch acht Kilometer«, sagte Patrick. »Und wir müssen genau in diese Richtung.« Er wies in den Wald, der nach allen Seiten hin gleich aussah. Tatsächlich wusste er natürlich nicht, ob es wirklich exakt acht Kilometer waren. Das Gerät berechnete die Entfernung und die Richtung auf Basis der aktuell gemessenen Position und der Zielkoordinaten, die er zuvor eingespeist hatte. Da sie allerdings einen Ort erkunden wollten, den kein Mensch bisher vermessen hatte, der nicht einmal entdeckt worden war, hatte er diese Koordinaten nur schätzen können.
    Er hatte Wochen in alten spanischen Bibliotheken in Toledo und Sevilla zugebracht und schließlich lange um eine Recherche-Erlaubnis in einem katholischen Archiv in Rom gekämpft. Aber die Suche hatte sich gelohnt. Er war auf der Spur von Padre Guilherme de Navarra, einem Dominikanermönch, der im siebzehnten Jahrhundert in die Kolonien der neuen Welt strafversetzt worden war. Wie viele andere Geistliche im jungen Vizekönigreich Neuspanien sollte er als Sühne die Heiden bekehren. Das Besondere an Padre Guilherme war, dass einige seiner überlieferten Briefe aus dieser Zeit Hinweise auf einen besonderen Schatz enthielten. Der Padre hatte sich nicht bei einer der vielen Missionen gemeldet, wie es von ihm erwartet wurde, sondern war stattdessen tief in den Urwald Yucatáns eingedrungen und hatte ohne Befugnis eine eigene Mission gegründet. Patrick hatte die in den Briefen verstreuten Hinweise auf die Umgebung der Mission, die angegebenen Längen von Reisen und die Beschreibungen verschiedener Landmarken zusammengetragen und mit Satellitenbildern höchster Auflösung verglichen. Seine eigene Erfahrung im mittelamerikanischen Urwald half ihm dabei, diese Informationen richtig einzuschätzen; er wusste, wie das Gelände und der Regenwald beschaffen waren, er konnte nach vollziehen, wie aufwendig es hier war, Flüsse zu überwinden, und wie weit eine Tagesreise führen konnte. Auf
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